So kommt das Neue in die Welt: Ein Plädoyer.

Eifeltürme in Schwarzweiß: Da haben ein paar Leute eine Idee und machen etwas daraus. Das ist die eigentliche Idee von Projekten. Haben wir die vergessen?

„Ich mach‘ mir die Welt – Widdewidde – wie sie mir gefällt.“ Pippi Langstrumpfs Motto passt gut zu dem, was Projekte sein sollten. Da passiert was, da entsteht was, da ist Lust dabei. Wenn ich sehe, wofür und wie Projekte heute eingesetzt werden, dann tut mir das weh. Mit welcher Stimmung machen sich die Menschen ans Werk? „Noch ein Projekt!“ rufen sie. Das darf doch nicht sein. Wir haben vergessen, was Projekte sind und wozu wir sie brauchen. Mit Projekten kommt das Neue in die Welt. Projekte sind eine gestalterische Aufgabe, ein schöpferischer Anlass. Da ist Kreativität gefragt und Zusammenarbeit unterschiedlichster Experten, damit das Neue gelingt.

Die Aufgabenstellung ist knifflig, aber man kämpft darum, dass etwas gelingt. Man weiß es nicht, zweifelt, verzweifelt, ringt und strahlt. Nicht immer, denn Projekte sind eine unsichere Sache. Wer auf Sicherheit spielt, hat schon verzockt. Der verwechselt, worum es geht: wer Sicherheit will, will nicht das Neue. Der will den Bestand, das vermeintlich Bewährte. Dann wird gemessen anstatt überlegt.

Manchmal braucht man das Neue, nicht immer

Das Neue ist nicht per se gut. Auch nicht per se schlecht. Es ist lediglich so, dass ein Unternehmen manchmal das Neue braucht, um bestehen zu können. Gerade jetzt merken wir das, wo digitale Mittel Tore zu neuen Welten öffnen. Und was wird in Unternehmen gemacht? „Da setzen wir ein Projektmanagement auf und machen ein paar Digitalisierungsprojekte!“ Hurra. Dann wird das ja was ganz Tolles werden. Ich könnte heulen, wenn ich solche Sätze höre. Es geht doch nicht ums Projekt und schon gar nicht darum, zu digitalisieren. Es geht darum, das Neue für sich zu erschließen, die neuen Möglichkeiten zu nutzen, herauszufinden, was und wie dieses Neue für sich genutzt werden kann.

Wo ein Projekt ist, da haben ein paar Leute eine Idee, eine die Sinn macht, die voranbringen könnte. Und sie machen. Sie legen los. Räumen alle Hindernisse beiseite. Eines nach dem anderen. Werden klüger. Ändern die Richtung, antizipieren, werden zurückgeworfen, halten inne, rudern zurück, nehmen die Erkenntnisse an, bleiben beharrlich – und alles für diesen Moment, in dem sie merken, jetzt ist es gelungen. Sie sind fix und fertig – und äußerst zufrieden. Wie die Macher des Mini-Rock-Festivals, die als Jugendliche etwas auf die Beine gestellt haben, was keiner für möglich hielt und die es, recht souverän, in 2018 auch wieder beendet haben. Weil sie wollten. Dafür ist Projektführung da. Damit solche Dinge gelingen und weil das nur klappt, wenn mehrere Persönlichkeiten Hand in Hand arbeiten.

Wer zu viele Projekte zur gleichen Zeit startet, fördert Kontrolle anstatt Wagemut

Ja, Projekte sind ein unternehmerisches Risiko. Alleine deshalb ist es völlig sinnfrei, zu viele zur gleichen Zeit davon zu starten. Dann wird das Gesamtrisiko zu groß, dann steigt die Komplexität ohne Not. Dann muss man – gefühlt – die Vorhaben unter Kontrolle bringen. Und das gelingt eben nur dort, wo nichts Neues entsteht. Wer Kontrolle haben will, der darf keine Projekte wagen. Der sollte in Ruhe und Routine kopieren. Unternehmensentwicklung adieu.

Wohin wollen wir unser Unternehmen führen und wo wollen wir dafür etwas riskieren? In der Antwort auf diese Fragen liegt das Feld, in dem Projekte Sinn machen, unternehmerisch Nutzen stiften können. Ohne Erfolgsgarantie. Das muss man bedenken. Was aber wird erwartet? Wer einen Meilensteintermin nicht halten kann, was denken wir von dem? „Oh, er hat das nicht geschafft! Sollten wir das Projekt jemand anderem übertragen?“ Genau mit dieser Haltung töten wir das, was Projekte sind: dann will keiner mehr ein Risiko eingehen, dann wird nicht mehr gestaltet, dann wird nur noch in Grün berichtet. Der Berliner Flughafen lässt grüßen.

Sie lachen? Dann denken Sie nur kurz darüber nach, wie Sie selbst dieses Großvorhaben werten. „Ein Disaster!“ „Lauter Stümper!“ Damit ist man schnell bei der Hand und stößt genau in dasselbe Horn, das Risikobereitschaft tötet. Wobei ich das Berliner Projekt nicht schönreden will. Die Haltung ist es, um die es mir geht. Wir müssen verstehen und zulassen, dass uns ein Vorhaben auch nicht oder nicht im ersten Anlauf gelingen kann. Ja, es braucht die passenden Personen, damit etwas gelingt, und Kairos, denn man hat nie alle Dinge in der Hand. Auch nicht der beste Profi. Das Neue ist nicht ohne Risiko zu haben. Dass die Arbeit am Neuen keine Freude machen kann, wenn das Umfeld die Planeinhaltung erwartet, wird oft vergessen. Dabei sollte die Projektarbeit Freude liefern, denn wer freut sich nicht, wenn einem etwas Schönes gelingt?

Projekte sind lebendig, sorgen für funkeln in den Augen

Seht die Möglichkeiten, seht die Chancen, seht das Schöne, das Ihr mit Projekten schaffen könnt! Spürt die Freude, die mit der Anstrengung und dem Gelingen verbunden ist!

Dafür möchte ich werben. Seht Projekte als das, was sie sind: Vorhaben, die fordern, die spannend sind, die Freude machen können und an deren Ende wir etwas haben, was es vorher nicht gab. Meilensteine, Projektpläne, Product Vision, Backlog, Sprints sind lediglich Hilfsmittel, Mittel zum Zweck. Redet über das Ergebnis, über das, was Ihr erreichen wollt, nicht über die Methode!

Es geht um das, was wir schaffen wollen, den Nutzen, die Idee, die es zu verwirklichen gilt. Es geht nicht um Projekte und Projektmanagement. Redet darüber, was getan werden kann, damit das Vorhaben vorankommt. Richtet Eure Energie auf den kreativen Teil, auf das Entwickeln und Gestalten – und akzeptiert, dass Pläne dazu da sind, um aus dem Unterschied zwischen Plan und Realität zu lernen. Dann kommt es vielleicht zurück, das Funkeln in den Augen und damit die Lebendigkeit. Und damit rückt sie näher, die Zukunft und mit ihr das, was wir daraus gemacht haben.

Also los: startet durch, strengt Euch an, riskiert was, schafft das Neue! Und wenn es Euch hilft, dann berichtet dem Lenkungsausschuss davon. Aber nur dann.

Ihr
Holger Zimmermann
Projektmensch

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