Wozu braucht man eigentlich Projekte?

Projekte: Helfen immer dann, wenn es knifflig wird und die Lösung nicht sofort sichtbar ist.

Manchmal tut es einfach gut, die Gedanken fliegen zu lassen. Gestern kam mir dabei die Frage in den Sinn, welches Thema ich wählen würde, wenn ich bei der nächsten Vortragsanfrage freie Wahl hätte? Ich würde wohl darüber sprechen, wozu man eigentlich Projekte braucht. Ich habe den Eindruck, dass weder der Projektbegriff wirklich verstanden ist, noch die Möglichkeiten bekannt sind, wie und wofür die projektorientierte Arbeitsweise genutzt  werden kann. Wichtige Vorhaben mit strategischer Bedeutung werden oft nebenbei gemacht, als wären es kleine Aufgaben. Die Projektmanagement-Werkzeuge werden dafür nicht genutzt.

Aus meiner Sicht befinden wir uns derzeit in einem kräftigen Umbruch. Wir kommen aus der Welt von Taylor und Ford, die sich über die Jahre weiterentwickelt hat[1]. Trotzdem denken wir immer von oben nach unten und in Abteilungen. Die Projektwelt ist ganz anders. Im Extremfall gibt es eine Aufgabe, die von den richtigen Menschen gelöst wird, die irgendwo auf dieser Welt sitzen und irgendeiner Organisation angehören. Oft ihrer eigenen. Schuld an dieser Entwicklung sind unter anderem die Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen. Die führen dazu, dass es viele unterschiedliche Aufgaben gibt und ein- und dieselbe Aufgabe aufgrund dieser Möglichkeiten in unterschiedlichster Art und Weise durchgeführt werden kann. So werden aus ehemaligen Standards und Routinen einzeln zu durchdenkende Vorhaben. Wo man jedes Mal aufs neue Denken muss und keinen Regeln folgen kann, da kann getrost von Projekten gesprochen werden[2]. Die notwendige Komplexität vorausgesetzt.

Dieser Entwicklung ist es geschuldet, dass immer mehr Aufgaben zu Projekten werden. Bei vielen stehen Unternehmer vor der Aufgabe, die Produktivität der Projektarbeit zu erhöhen. Etwa im Anlagen- und Maschinenbau oder in IT-Projekten. Die sind schon lange als Projekte anerkannt und projektorientiertes Arbeiten ist eine Selbstverständlichkeit. So selbstverständlich ist der Einsatz dieser Methodik in anderen Bereichen nicht. Ein paar Beispiele für Situationen, in denen Projektarbeit wirklich Sinn macht:

Gutes Projektmanagement, um höhere Preise verlangen zu können

Wer immer pünktlich liefert und dafür bekannt ist, der kann höhere Preise verlangen. So einfach ist die Logik hinter dieser Überschrift. Engpassorientiertes Projektmanagement ist ein eleganter Weg, um eine höhere Termintreue zu erreichen. Die Planung wird so betrieben, dass der Engpass des Projektes sichtbar wird[3]. Damit kann man ihn (den Engpass) aufbohren und den nächsten Engpass angehen, der dann in den Fokus rückt. Das macht man so lange, bis man die Projektziele mit ausreichender Sicherheit erreichen wird. Anschließend muss der Engpass während der Umsetzung nur noch im Fokus stehen und zum Beispiel durch den Schutz der daran wirkenden Ressourcen sichergestellt werden, dass der notwendige Durchsatz erreicht wird.

Auf Geschwindigkeit ausgelegtes Projektmanagement, um dem Wettbewerber zuvorzukommen

Nur weil ein Wettbewerber schneller auf die Idee gekommen ist, muss das noch lange nicht bedeuten, dass er auch schneller am Markt sein wird. Macht man die Produkteinführung gezielt zum Projekt, kann man Standardprozesse aushebeln und Geschwindigkeit gewinnen. Auch in diesem Fall hilft die engpassorientierte Projektsteuerung neben weiteren Mitteln, wie etwa der Projekt-Pipeline[4], über die auf einfache Weise ein funktionierendes Ressourcenmanagement aufgebaut werden kann.

Projekte, um Werbemaßnahmen mehr Wirkung pro Geld zu geben

Projekte können, vergleichbar zu einem guten Theaterstück, eine eigene Dramaturgie haben. Das hat weniger mit klassischem Projektmanagement[5] zu tun, verleiht öffentlichkeitswirksamen Aktionen jedoch mehr Gewicht. Ein Baustein baut gezielt auf dem Vorgänger auf, verschiedene Werbemittel greifen koordiniert und geschickt ineinander, ergänzen sich, schaukeln sich hoch. Print ergänzt Social Media, das wiederum zu Events führt, wo man ein Produkt in Natura erleben kann. Nutzt man die projektorientierte Arbeitsweise clever, kann man solchen Vorhaben bei weniger Aufwand mehr Wirkung geben, da man sich Zusammenhänge auf dem Papier erschließt. Damit ist es möglich, deren Abhängigkeiten und Wechselwirkungen im Sinne des Ziels zu optimieren und so besser vorbereitet ins Rennen zu gehen. Das schont außerdem Ressourcen, da Reibungsverluste reduziert werden können. Die werden bereits bei der Planung frühzeitig erkannt, was den Handlungsspielraum erhöht.

Projekte, um ganz gezielt neue Einnahmequellen zu erschließen

Jeder Eintritt in einen neuen Markt funktioniert anders. So gerne man einen Standardprozess nutzen will, ich habe noch nie gesehen, dass dieser wirklich passt. Nicht nur Gesetze und Kulturen sind je nach Vorhaben unterschiedlich. Wobei ich noch nicht einmal von anderen Ländern reden will. Bereits ein neues Kundensegment kann ganz anders ticken als die bisher vom Unternehmen erschlossene Welt. Wer sich die vermeintliche Mühe macht, eine maßgeschneiderte Vorgehensweise zu erarbeiten – logischerweise auf Basis vorhandener Erfahrungen und Unterlagen – wird den individuellen Anforderungen weit besser gerecht. Ein Projektteam erkennt sehr früh, wo Stolpersteine liegen könnten und wo kein eigenes Know-how vorhanden ist. Wer in solch einer Situation gar noch auf Branchenexpertise verzichtet, versetzt sich in die Lage an Branchenspezifika vorbei Alleinstellungsmerkmale aufzubauen. Weil man den Branchenregeln bewusst nicht folgt. Die Investition in Nachdenken[6] macht sich am Ende durch eine bessere Marktposition bezahlt.

Projekte, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und aufzubauen

Noch weiter als der Eintritt in einen neuen Markt geht die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. So kann man Projektteams gezielt außerhalb der eigenen Prozesse und Abläufe aufsetzen, um ganz gezielt neue Wege zu gehen. Kreativitätstechniken wie Brainstorming genügen nicht für solche Aufgaben. Die Projektstruktur muss einer anderen Logik folgen, um den Ansprüchen an die kreative Leistung solcher Vorhaben genügen zu können. Außerdem sind gezielte Interventionen nötig, um sicherzustellen, dass nicht nur Bekanntes in neuem Gewand entwickelt wird. Das Projektteam ignoriert die bisher bekannten Unternehmensgrenzen, da diese Arbeitsform es möglich macht, beliebige Spieler integrieren zu können.

Da viele etablierte Unternehmen vor der Aufgabe stehen, bisher bewährte aber auslaufende Geschäftsmodelle durch neue zu ersetzen, wird Projekten dieser Art in den kommenden Jahren eine besondere Bedeutung zukommen. Das ist vor allem deshalb eine besondere Herausforderung, da die. heute in Büchern zu findenden Projektmanagement-Ansätze nicht mehr genügen, um Ziele dieser Vorhaben mit der notwendigen Effektivität wie auch Effizienz zu erreichen.

Projekte gegen den Fachkräftemangel und für Teilzeitarbeitsplätze

Dass Fachkräfte fehlen ist derzeit in aller Munde. Durch die Arbeit in Projektform wird es viel leichter, unterschiedliche Arbeitszeitmodelle unter einen Hut zu bringen. Eine geeignete Form der Ressourcenplanung vorausgesetzt. Als Projektleiter ist es mir – salopp gesprochen – egal, wie viel eine einzelne Person arbeitet. Ich habe bestimmte Tätigkeiten die innerhalb eines bekannten Zeitraums zu bearbeiten sind. Daraus ergibt sich mein Personalbedarf. Rein theoretisch könnte ich so jede Aktivität mit einer anderen Person besetzten, wodurch selbst Menschen, die nur ein paar Stunden pro Woche arbeiten (etwa der erziehende Elternteil nach der Elternzeit), einfach mitwirken können. Der Arbeitsort wird bei vielen Tätigkeiten ebenso zur Nebensache, was die Möglichkeiten solcher und ähnlicher Arbeitszeitmodelle weiter erhöht.

Wozu braucht man also eigentlich Projekte? Ob man sie wirklich unbedingt braucht, bleibt offen. Fest steht jedoch, dass die projektorientierte Arbeitsweise Möglichkeiten eröffnet.

Ihr
Holger Zimmermann
Projektmensch.


Quellen:

Foto: ssstep/ istockphoto.com

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2 Kommentare bei „Wozu braucht man eigentlich Projekte?“

  1. Vielleicht habe ich mich dann missverständlich ausgedrückt: Projekte sind organisatorisch der Gegenpart zum (Routine)Prozess. Wenn ich etwas Neues, also etwas, das ich noch nie gemacht habe, auf die Beine stellen will, kann ich noch gar keinen Prozess haben, der dieses Neue schafft. Dann muss ich Zusammenarbeit über Bereichsgrenzen und Fachgebiete hinweg so organisieren, dass wir mit dem Schaffen des Neuen möglichst gut klarkommen. Ich organisiere einmal für einmal. Beim Routineprozess organisiere ich einmal für viele Wiederholungen.

    Wobei in vielen Projekten die Projektarbeit in einen Routineprozess mündet. Etwa wenn ich ein neues Geschäftsmodell etabliere, dann habe ich irgendwann einen Zustand erreicht, in dem das neue Geschäftsmodell etabliert ist und dann kontinuierlich weiterentwickelt werden kann. Damit geht dann die Organisationsform über von Projekt hin zu Routine.

  2. Sind hier genannten Beispiele nicht eher ein prozessorientierter Ansatz, der natürlich auch auf Projekte angewendet werden kann? Ein alleinstellungsmerkmal für Projekte ist doch in der Regel die zeitliche Begrenzung, ggf. auch die Auslösung aus der vorhandenen Organisationsstruktur auf Grund der Komplexität oder anderer Anforderungen?! Die hier genannten Beispiele sind lediglich Beispiele für eine strukturierte Vorgehensweise, wie sie zum Beispiel der prozessorientierte Ansatz liefern soll, sofern er auch so angewendet wird.

    Sehe ich das falsch?

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