Egal ob wir Projektmanagement einführen oder in unseren Seminaren über die Projektlandschaft diskutieren, es zeigt sich allenthalben dasselbe Bild: Unternehmen versuchen zu viele Projekte gleichzeitig zu bewältigen. Das führt dazu, dass weit weniger Projekte fertiggestellt werden als möglich wäre. Sämtliche Projektbeteiligte merken das. Der Wunsch nach klaren Prioritäten und „Ressourcenmanagement“ ist groß. Die Frage ist allerdings, wie man dieses schädliche Multitasking vermeiden kann?
Ich möchte mit der Projekt-Pipeline hier ein einfaches Werkzeug vorstellen, das schnell hilft, die Vielzahl der Projekte besser in den Griff zu bekommen. Das gilt charmanter Weise sowohl aus Sicht einzelner Projektleiter als auch aus Sicht der Unternehmenslenker. Und es hilft den einzelnen Projektbeteiligten ebenfalls mit der Vielzahl der zu erledigenden Aufgaben in unterschiedlichen Projekten klar zu kommen. Mit einem einzelnen Artikel wird das nicht gelingen. Deshalb hier Teil 1, die Grundlagen.
Ein Projekt nach dem anderen
Die Vorstellung der Pipeline ist eine sehr einfache: alle Projekte werden aufgelistet und in eine Reihenfolge gebracht. Dann wird ein Projekt nach dem anderen abgearbeitet. Erst das Projekt an Position 1, dann das Projekt an Position 2 etc. Wer mittels der Projekt-Pipeline sich selbst besser organisieren will, für den trifft dieses Schema voll zu. Wo mehrere Projektleiter am Werk sind, wird die Komplexität etwas größer, das Grundprinzip aber bleibt. Erst kommt Projekt 1, dann Projekt 2.
Wenn nun Projekt 1 von Projektleiter A und Projekt 2 von Projektleiter B gemacht werden, führt das dazu, dass diese Projekte faktisch parallel bearbeitet werden. Somit dient die Pipeline auch dazu, die Projekte geschickt auf die verfügbare Mannschaft zu verteilen. Geschickter Weise fängt man bei der Projektleitung damit an.
Das Prinzip geht allerdings noch weiter. Wenn nun beide Projekte gleichzeitig auf ein und denselben Mitarbeiter zugreifen wollen, dann fällt auch für ihn die Entscheidung leicht, welche Aufgabe zuerst erledigt wird: grundsätzlich die Aufgabe des Projekts mit dem höheren Rang, in unserem Beispiel also mit der Aufgabe von Projekt 1, sofern diese wirklich sofort erledigt werden muss.
Das ist oft nicht der Fall. Sehr häufig sind nur wenige von vielen Aufgaben dringend. Wenn also die Aufgabe von Projekt 1 noch Puffer hat, die von Projekt 2 aber auf dem kritischen Pfad liegt, ist wiederum klar, welche Aufgabe zuerst bearbeitet werden muss: die von Projekt 2, die in diesem Fall zwar einen niedrigeren Rang aber eine höhere Dringlichkeit hat. Jeder Mitarbeiter hat über die Festlegung der Rangfolge jederzeit eine Entscheidungshilfe für die persönlichen Prioritäten, selbst bei unendlich vielen Projekten gleichzeitig.
Die Rangfolge entscheidet über die Energieversorgung
Auf einen Aspekt möchte ich besonders hinweisen:
Nur abgeschlossene Projekte bringen Nutzen!
Nicht wer viele Projekte gleichzeitig macht ist der bessere Projektarbeiter. Wer möglichst viele Projekte pro Zeit zum Abschluss bringt, hat den größeren Nutzen. (Dass Projekte hinsichtlich deren Nutzen sinnvoll ausgewählt wurden, setze ich an dieser Stelle voraus.) Um nicht in einen Modus zu kommen, der als „schädliches Multitasking“ bezeichnet wird, sollten Projekte im Idealfall – vereinfacht gesprochen – am Stück bearbeitet werden (siehe auch „Sofortmaßnahmen: Schnell muss es gehen„).
Doch Vorsicht: die Rangfolge bestimmt nicht über die Termine oder gar das Datum der Fertigstellung eines Projekts. Die Rangfolge bestimmt, mit welchem Tempo Projekte vorangetrieben werden. Je höher der Rang, desto früher wird das Projekt mit Energie, sprich mit Ressourcen versorgt. Trotzdem kann es sein, dass Projekt 15 vor Projekt 2 fertiggestellt wird, wenn dessen Laufzeit wesentlich kürzer ist und Projekt 2 auf viele externe Ressourcen zugreift. Erst wenn, aus Sicht einer einzelnen Person, alle zur gleichen Zeit anfallenden Arbeiten an einem Projekt mit höherem Rang erledigt sind werden Arbeiten an einem Projekt mit niedrigerem Rang aufgenommen, lautet das Grundprinzip.
Verantwortung des Management und doch Jedermanns Sache
In unseren Seminaren wird oft der Ruf laut, dass „das Management“ die Rangfolge „endlich mal“ festlegen muss. Das kann schon sein, dass es die natürliche Verantwortung der Unternehmensleitung ist, die Rangfolge zu definieren. Tut sie es trotzdem nicht, ist es aus meiner Sicht Verantwortung des Projektleiters diese Rangfolge zumindest für die von ihm betreuten Projekte zu definieren und mit dem Vorgesetzten abzustimmen.
Spätestens wenn dann ein Ressourcenkonflikt mit einem anderen Projektleiter auftritt, sollte auch dieser eine entsprechende Liste parat haben und beide Projektleiter können untereinander eine Rangfolge vereinbaren. Die gilt es dann wiederum nach oben zu spiegeln. So kann ganz elegant und ohne viel Aufhebens ein erstes rudimentäres Multi-Projekt-Management von unten nach oben eingeführt werden. Jeder Schritt in diese Richtung ist hilfreich, wenn auch oft die noch fehlenden Schritte bis zum Idealzustand angemahnt werden.
Den Anfang machen
Wie also macht man den Anfang beim Aufbau einer Pipeline, egal ob man unten oder oben in der Hierarchie sitzt? Ganz einfach: sammeln Sie alle Projekte in einer Liste samt den zugehörigen Projektleitern. In der Fortsetzung dieser Serie beschreibe ich dann, wie aus dieser Liste Schritt für Schritt die Pipeline entsteht, warum es gar nichts macht, wenn man nicht alle Projekte kennt, warum die Reduzierung der Projektzahl Geschwindigkeit bringt und wie die Pipeline darauf aufbauend im Alltag eingesetzt werden kann.
Bei Fragen: fragen! dialog@projektmensch.com
Mit den besten Grüßen
Holger Zimmermann
Projektmensch.
[flattr /]
Weiterführende Quellen:
- TOC Goodies (wandelweb.de)
- Critical Chain Management: ein Weg zu mehr Agilität in Projekten? (toc4u.de)
- Buchtipp: „Die Kritische Kette: Das neue Konzept im Projektmanagement„, Eliyahu M Goldratt
- Buchtipp: „Critical Chain: Beschleunigen Sie Ihr Projektmanagement„, Uwe Techt
Foto „Pipeline“: Ove Tøpfer, stock.xchng
[…] ob man diese Idee wirklich umsetzen muss. Die meisten Unternehmen, die wir erleben, versuchen zu viele Projekte gleichzeitig zu stemmen. Da wir nicht wirklich gleichzeitig, also parallel, an zwei Projekten arbeiten können, […]
[…] System, das dazu noch Hektik schafft, wo angenehmes Arbeiten zumindest möglich scheint. In “Für die, die (zu) viele Projekte haben: die Projekt-Pipeline (1) – Grundlagen” haben wir diesen Effekt beschrieben. Nun soll es darum gehen, wie Sie den Einstieg in das […]
[…] Indikatoren wiederum helfen, die Pipeline geschickt zu füllen und nur die wertvollsten Projekte überhaupt über die Startlinie zu schieben. […]
Hallo Holger,
viele Ansätze die ich auch schon kannte. Ebenso finde ich mich oft in der Situation von Tom wieder…-
Aktuell gliedere ich meine „Projekte“ ähnlich in meiner Personal KanBan Tafel auf und arbeite sie dann ab.
Bin gespannt auf die Folgenden Teile.
Grüße,
Dietmar
Hallo Tom,
in der Tat hilft dieser Ansatz genau dann, wenn viele (ungeplante) Kleinigkeiten zwischendurch erledigt werden müssen: die Entscheidung zwischen den Optionen und entsprechenden Folgen ist wesentlich transparenter. Nicht jede Kleinigkeit darf zum Projekt werden, die wesentlichen Vorhaben sollten es. Die kann man dann, je nach Bedarf, genauer planen was auch zu transparenteren Entscheidungen hilft.
Bei vielen „Störungen“ empfinde ich persönlich sehr hilfreich, dass ich mich viel leichter tue, zu den wichtigen Dingen zurück zu kommen und mich nicht dauerhaft von etwas ablenken zu lassen. Wobei viele ungeplante Dinge auch aus Projekten heraus kommen können, abhängig von deren „Durchdachtheitsgrad“. Manchmal hilft es besonders, die Vorhaben, bei denen zum Beispiel Kunden immer wieder mit Ungeplantem kommen, mit denen gemeinsam zu durchdenken. So lassen sich viele Stolperstellen im Voraus erkennen und die Wogen glätten bevor sie entstehen.
Wir haben einen Geschäftspartner, der verkauft uns immer mit, um genau das zu machen, seine Projekte gemeinsam mit seinen Kunden systematisch zu durchdenken. Er führt Software in Unternehmen ein. Dabei weiß er sehr gut, was auf alle an Arbeit zukommen wird. Seine Kunden allerdings haben diese Erfahrung nicht und wissen entsprechend nicht, was sie selbst alles liefern müssen, damit das Projekt erfolgreich wird. In einem gemeinsamen (eintägigen) Projektstart-Workshop werden Ausgangslage, Ziele, Aufgaben, Verantwortung und Organisation diskutiert und abgestimmt. Das wirkt Wunder. Vielleicht wäre das auch was für Euch? Den Ablauf für einen solchen Workshop habe ich bereits auf der Entwurfsliste für diesen Blog …
Freut mich, dass ich so weitermachen soll!
Holger
Hallo Holger,
schöner Ansatz. Leider erwische ich mich immer wieder selber, wie ich mich in diesem Multitasking verstricke. Aber gibt es denn einen wirklich richtigen Weg in meiner Branche (Werbeagentur)? Ist denn wirklich jeder Kundenanruf, jede Kundenemail als Projekt aufsetzbar? Oft müssen die Dinge adhoc geschehen, damit der Kunde zufrieden bleibt.
Ich habe schon einige große Projekte geleitet und war froh, dass ich mich immer auf eine Sache konzentrieren konnte. Heute ist das leider nicht mehr ganz so einfach (zumindest fühlt es sich so an). Manchmal übernimmt das Chaos die Zügel und dann muss schnell und unkonventionell gehandelt werden (zum Glück ging das noch nie schief).
Ich freu mich auf weitere Beiträge von Dir, denn irgendetwas kann man dort immer rauslesen und für sich weiterverwerten.
Danke, mach weiter so!
Tom