Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. In diesem Fall will ich dem vorbehaltlos zustimmen. Es ist eine meiner Lieblingsillustrationen, auch weil sie so schön einfach zeigt, warum manche Projekte einfach nie fertig werden. Das liegt gar nicht am Projektteam, das liegt daran, dass eine Organisation versucht, zu viele Projekte „parallel“ zu bearbeiten. Damit schafft man sich ein selbstblockierendes System, das dazu noch Hektik schafft, wo angenehmes Arbeiten zumindest möglich scheint. In „Für die, die (zu) viele Projekte haben: die Projekt-Pipeline (1) – Grundlagen“ haben wir diesen Effekt beschrieben. Nun soll es darum gehen, wie Sie den Einstieg in das Multi-Projekt-Management machen können. Dabei sind Projektleiter ebenso gefragt, wie auch die Unternehmensleitung.
Eine einfache Liste macht den Anfang
In unseren Seminaren wird häufig die Forderung laut, dass „die da oben“ doch endlich mal Prioritäten setzen sollen. Eine nachvollziehbare Forderung, vor allem, wenn man die Arbeitslast genauer betrachtet. Allerdings gibt es an dieser Stelle ein Problem: „Die da oben“ können oft den Engpass gar nicht beurteilen, weil „die da unten“ – gemeint sind die Projektleiter – den Engpass nicht im Detail benennen können. So dreht sich das Spiel endlos und frisst weitere Kapazität.
Den Ausstieg aus dieser Spirale kann eine einfach Liste mit ein paar wenigen Spalten machen: Rang, Projekt, Projektleiter, Status (ein Beispiel gibt es im Projektkaufhaus). In diese Liste einfach mal alle Projekt aufnehmen, die im Raum stehen. Wenn ich Projektleiter in einem Projekt bin und Projektmitarbeiter in anderen, kann ich das einfach mal für mich machen. Ich muss niemand fragen. Sie auch nicht.
Dann wird eine Rangfolge der Energieversorgung definiert
Sobald Sie alle Projekte gelistet haben, bringen Sie diese bitte in eine sinnvolle Reihenfolge. Die Reihenfolge definiert, mit welcher Energieversorgung ein Projekt rechnen kann. Am Projekt mit dem höchsten Rang arbeite ich zuerst. Gibt es für mich an diesem Projekt nichts mehr zu tun, wechsle ich zum nächsten Projekt in der Rangfolge. Gibt es daran für mich auch nichts mehr zu tun, gehe ich zum Projekt mit dem nächst niedrigeren Rang über. Und so fort. Sobald ein Projekt höheren Rangs wieder Arbeit für mich hat, hat diese Arbeit wieder Vorrang.
Bei der Beurteilung, welchen Rang ein Projekt hat, ist nicht allein der Fertigstellungstermin maßgeblich. Ein Projekt höheren Rangs kann durchaus erst später fertig werden, als eines mit niedrigerem Rang, da es beispielsweise eine längere Laufzeit und einen größeren Umfang hat. Auch die Wichtigkeit ist nicht einziges Kriterium. Es sollte bei der Vergabe der Ränge eher im Fokus stehen, welche Priorität bei der Kapazitätsverteilung ein Projekt haben muss, um pünktlich fertiggestellt zu werden. So dass ich jederzeit in der Lage bin, selbst zu entscheiden, welches Projekt ich als nächstes bearbeite. Die Rangfolge liefert mir dafür die Grundlage.
Diese Liste ist noch kein fertiges System. Sie ist ein Anfang. Idealerweise gilt es nun, die damit definierte Rangfolge mit meinem Vorgesetzten und/oder den internen Auftraggebern der Projekte auf der Liste abzustimmen. Die Liste liefert eine gute Grundlage, um solche Gespräche konstruktiv zu führen, sich zu überlegen, welches Projekt ich im Zweifelsfall vorziehen werde.
Ein cleverer Chef führt mehrere Projektlisten zu einer zusammen
Ist der Vorgesetzte einer Abteilung clever, bittet er seine Projektleiter um solche Listen und deren Einschätzung bezüglich der Rangfolge. Diese Einzellisten führt er anschließend zu einer gemeinsamen Liste zusammen, wobei die Rangfolge sich nun auf das gesamte Projekt-Portfolio bezieht. Die Projektleiter versuchen dabei gemeinsam auf Basis ihrer Projektpläne und Abschätzungen eine für alle Beteiligten sinnvolle Rangfolge zu verhandeln. Womit ein System geschaffen wird, das die Projektleiter handlungsfähig hält, auch wenn zwei Projektteams im selben Zeitraum mit Tätigkeiten auf dem kritischen Pfad auf dieselbe Person zugreifen wollen. Die Rangfolge definiert, wer als erstes zugreifen darf. Der Boss freut sich, da er nicht eingreifen muss.
Soll nun ein neues Projekt gestartet werden, wird die Spalte „Status“ relevant. Dort wird aufgeführt, ob ein Projekt „in Bearbeitung“ oder „geplant“ oder „offen“ ist. Ein neues Projekt sollte in der Rangfolge nicht in die Reihen der Projekte „in Bearbeitung“ oder „geplant“ aufgenommen werden, da sonst unnötiger Aufwand für Umplanungen produziert wird. Allein das Bewusstsein für diesen Zusammenhang und die Sichtbarkeit in der Projektliste schützen die laufenden Projekte vor Störungen durch neue Vorhaben.
Eine Kultur des Miteinander-Sprechens
Ich möchte nochmals anmerken: Diese Listen sind ein Anfang. Sie sind ein Einstieg. Und sie sollen ein Klima schaffen, in dem die Beteiligten miteinander ins Gespräch kommen und so ihr Projektportfolio ständig sinnvoll gestalten. Ideal wäre es, würde man diese Form der Steuerung am Engpass orientieren, also der Personengruppe, die durch das gesamte Projekt-Portfolio die größte Arbeitslast bewältigen muss. Durch die Diskussionen und Abstimmungsgespräche kommen Teams diesem Zustand meist von alleine näher. Allerdings ist dafür eine Instanz nötig, die regelmäßig über die Portfolio-Liste spricht.
Also los: Wenn Sie Projektleiter sind und das Multi-Projekt-Mangement einen Schubser gebrauchen kann, dann machen Sie eine Projektliste und sprechen Sie mit Ihrem Boss. Wenn Sie der Boss sind, bitten Sie Ihre Projektleiter um diese Listen, führen Sie diese zusammen und besprechen Sie, welche Rangfolge Sie vergeben wollen. Ist ganz einfach und hilft, dass die Projekte früher fertig werden und das Arbeiten gleichzeitig angenehmer.
Ihr
Holger Zimmermann
Projektmensch
P.S: Nach wie vor lesenswert hierzu ist „Die kritische Kette“ von Eliyahu Goldratt. Unter anderem auf den Gedanken dieses Buchs basiert auch die obige Grafik.
[…] Gleichzeitig muss die Unternehmensleitung lernen, mit der Vielzahl der Vorhaben systematischer umzugehen, ohne Blockade-Abteilungen einzurichten. Wobei dem Zusammenspiel von Vorstand beziehungsweise Geschäftsführung und zweiter Ebene eine besondere Bedeutung zukommt. Denn gerade die zweite Ebene spielt eine Schlüsselfunktion, wenn es darum geht, Strategien (und wieder meine ich damit kein Zahlenwerk!) in operatives Handeln zu übersetzen. Wenn Unternehmen weiterhin so vorgehen, wie sie es derzeit tun: Projekte starten, starten, starten, starten, starten – ohne Unterlass, werden die besten Projektleiter nichts mehr ausrichten können (siehe hierzu „Schädliches Multitasking“ in „Die Projekt-Pipeline“). […]
[…] Sie über die Rangfolge der Projektbearbeitung. Die Rangfolge regelt die Vorfahrt in dem Fall, in dem zwei Projekte die gleichen Personen oder Maschinen […]
Ja, Wolfram, die Liste ist erst der Anfang. Da stimme ich voll und ganz zu. Wobei der Effekt, überhaupt mal alle Projekte zu sehen, oft schon ausreicht, um eine erste Erleichterung zu schaffen. „Es wäre so einfach …“, denke ich dann.
Dass Ihr das Miteinander-Reden als Engpass seht, finde ich spannend. Wir sehen derzeit häufig die Schnittstelle des Projekts in die Hierarchie als Engpass, etwa wenn es gilt, Entscheidungen zu treffen. Die Kapazität „des Managements“ wird schlicht nicht betrachtet. Ich werde mal darauf achten, inwieweit wir den Blick auf die Stichworte „Kreativität“ und „zentrale Personen, um neue Konzepte zu entwickeln“ ausdehnen sollten. Mein Bauch sagt mir, dass da etwas dran ist. Danke!
Beste Grüße
Holger
Danke Holger und ja das Bild ist so eingängig – und immer wieder die Frage, woher die Idee kommt zu viele Projekte gleichzeitig machen zu wollen?
Noch eine kleine Zusatzinformation – wir lernen immer mehr was der eigentliche Engpass einer Projektorganisation ist. Es wird immer klarer, dass es die Kreativität ist – oder noch besser, das miteinander reden von wenigen zentralen Personen um neue Konzepte zu entwickeln oder Teilprojekte zu integrieren. Wenn man das genau anschaut können nur wenige Projekte gleichzeitig in dieser Phase sein und wenn man die nicht überlastet, dann kann auch keine Person oder Team überlastet sein!
Damit ist die Liste erst der Anfang von einem größeren Umdenken 🙂
cu Wolfram
[…] Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. In diesem Fall will ich dem vorbehaltlos zustimmen. Es ist eine meiner Lieblingsillustrationen, auch weil sie so schön einfach zeigt, warum manche Projekte einfach nie fertig werden. […]
Ein Tool kann dabei sicherlich unterstützen. Wir setzen intern unter anderem Trello (http://www.trello.com) ein, um einfache Vorhaben und Routineprozesse zu steuern – und um Projekt-Portfolios systematisch zu steuern.
Das alles ist wahr, jedoch stellt ein cleverer Chef seinem Team Tools zur Verfügung, die die Ausführung des Projekts ermöglichen oder zumindest erleichern – dazu eignet sich am Besten die smarte, digitale Version von Kanban-Tafeln wie etwa die von Shore Labs – http://kanbantool.com. Von meinem Team wird das Board nun seit gut 10 Monaten getestet und war bei Zuendeführung mehrerer Projekte dabei.