„Da lassen wir ein Handbuch schreiben, machen dazu ein paar Schulungen, dann haben wir die Projektmanagement-Standards eingeführt!“ Ein großer Irrtum. Wer standardisierte Projektmanagement-Abläufe haben will, hat ein Organisationsentwicklungsprojekt vor der Nase. Das Handbuch ist davon lediglich ein kleiner Teil, der die Arbeitsergebnisse dokumentiert. Wie steht es um die Kultur? Wie um die Haltung gegenüber Projektleitern und deren Teams? Was ist Projektmanagement und was Routineprozess?
Es dreht sich nicht alles nur um die Projektleiter
Wenn es um Projektmanagement-Standards geht, stehen sofort die Projektleiter im Fokus. Dass diese Personengruppe einen großen Anteil hat, ist unbestritten. Was aber will ein Projektleiter ausrichten, wenn der Vorstandsvorsitzende sämtlichen Kundenwünschen Rechnung trägt und den Projektleiter immer wieder auffordert, diesen Wünschen gerecht zu werden? Auch an solche Fälle gilt es zu denken, wenn Standards entwickelt werden. Wie soll der Vorstand reagieren, wenn der Kunden mit seinen Anforderungen bei ihm auf der Matte steht? Was muss der Projektleiter an Informationen liefern, damit der Vorstand angemessen reagieren kann?
Ähnliches gilt, wenn Projektleiter auf Routineprozesse stoßen, etwa Personen aus einer Fachabteilung für das Projekt einsetzen wollen. Wacht über der Fachabteilung der Boss, der alle Aufträge filtert und innerhalb seines Bereichs steuert? Oder wird der Kollege quasi an das Projekt „ausgeliehen“? Das sind auch Fragen von Macht und Balance. Es braucht Instrumente, die das ausbalancieren. Die sind schnell erklärt, in der Anwendung jedoch knifflig. Weshalb sowohl Projektleiter wie auch die Führungskräfte der Fachabteilungen die Gelegenheit haben müssen auszuprobieren, zu reflektieren und zu lernen. Das erfordert Zeit. Unter anderthalb Jahren würde ich auf keinen Fall mit bleibenden Ergebnissen rechnen. Wer ihnen schnellere Ergebnisse verspricht, sollte über die Fragestellung, wie Veränderung im Verhalten gelingt, nochmals nachdenken.
Projektmanagement muss auch mit Menschen funktionieren, die den Standard nicht kennen
Die Einführung von Projektmanagement-Standards ist in den Diskussionen häufig knifflig, weil unterschiedliche Ebenen miteinander verknüpft werden, die nahtlos ineinander greifen, jedoch unterschiedliche Anforderungen haben. Zum einen ist da das inhaltliche Standardvorgehen, was für eine bestimmte Art von Projekten immer wieder zelebriert wird. Gerade im Maschinenbau lassen sich bestimmte Detailvorgehensweisen recht gut beschreiben, da es sich bei den Projekten meist um eine Art Serienprojekt handelt, das ähnlich wie Vorgängervorhaben abläuft, jedoch nicht identisch. Wenn jedoch beschrieben wird, wie Aufträge beispielsweise in SAP eingelastet werden oder wie eine Konstruktionszeichnung erstellt wird, dann gehören diese Arbeitspakete besser in eine Vorlage für den Projektplan. Es handelt sich bei solchen Prozessschritten nicht um Projektmanagement-Standards.
Der Projektmanagement-Standard beschreibt dann, wie ein Projektteam auf Basis der in einer Projektplan-Vorlage beschriebenen Schritte zu einem für das individuelle Vorhaben gültigen Plan kommt. Damit verbunden ist dann auch die Klarheit darüber, welchen Anforderungen ein Projektplan genügen soll. Wird zu sehr über die Arbeitspakete zur Abwicklung der Vorhaben diskutiert, erweist sich das damit entstandene Konzept meist als zu starr, zu umfangreich und nicht praktikabel. Die Diskussionen darüber, wie ein Projekt startet, wie der Projektleiter zum Projekt kommt, wie ein klarer (Innen)Auftrag geschaffen wird, wie Kunden und Lieferanten einbezogen werden, wie und an wen berichtet wird sind viel lohnenswerter. Sie geben dem Team Sicherheit über die grundsätzliche Vorgehensweise. Eine Projektplan-Vorlage ist dann eine hilfreiche Abkürzung, wenn es darum geht, den Projektplan zu erstellen.
Die Arbeit an einem Standard-Projektplan ist häufig mit dem Wunsch verbunden, alle Dinge eindeutig und im Detail zu regeln. Würde das gelingen, würde es sich allerdings nicht um ein Projekt handeln. Dann wäre auch ein Projektleiter überflüssig. (Darüber haben wir in „Wer von Abteilungen redet, denkt nicht in Projekt“ bereits geschrieben.) Spätestens wenn ein neuer Lieferant oder eine wirklich neue Sonderfunktion dazu kommen, hat der Standardplan ausgedient. Dann zeigt sich die Qualität des Projektmanagement-Standards: können darüber auch Personen integriert werden, die diesen Standard nicht kennen? Oder noch anspruchsvoller: Können darüber auch die Kunden integriert werden, die einen eigenen Projektmanagement-Standard haben? Wer im Standard darüber spricht, die die Arbeit grundsätzlich organisiert wird und das Denken im Detail den Projektleitern überlässt, hat dann bessere Karten.
Projektmanagement-Standards brauchen trotzdem qualifizierte Projektleiter
Aus diesem Grund bleibt es nicht aus, ständig für die Qualifikation der eigenen Projektleiter zu sorgen. Diese müssen in der Lage sein, die Zusammenarbeit aller Beteiligten für ein individuelles Projekt so zu organisieren, dass sie gut funktioniert. Ein Projektmanagement-Standard kann an dieser Stelle eine nützliche Abkürzung darstellen, da er dafür sorgt, dass wenigstens intern nicht alle Schritte neu ausgehandelt werden müssen: Wie greife ich auf Kollegen der Fachabteilung zu? Ist im Standard beschrieben, ist von der Fachabteilung sowie vom Projektleiter akzeptiert und es gibt die passenden Werkzeuge dazu. Wie steigen wir in das Projekt ein? Dito. Wie reagieren wir, wenn wir gleichzeitig auf die gleiche Person zu greifen wollen? Dito. Wie reagiert der Vorstand, wenn der Kunde einen früheren Liefertermin will, als den, den der Projektplan hergibt? Auch hier kann ich mich als Projektleiter auf einen bestimmten Weg verlassen, den der Vorstand nun gehen wird.
Der größte Aufwand einer Einführung von Projektmanagement-Standards besteht darin, diese Vorgehensweisen zum Leben zu bringen, sie zu täglicher Praxis zu machen. Das erfordert vor allem eine Änderung in den Köpfen der Beteiligten – auf sämtlichen Ebenen der Hierarchie. Diese Veränderung wiederum gelingt nicht auf Knopfdruck. Sie erfordert Wiederholungen, Reflexion, gute Gespräche und die Bereitschaft, sich auf einen Lernprozess einzulassen. Wer schnell mal ein Handbuch schreibt und dann Schulungen durchführt, vertraut darauf, dass das schon automatisch kommen wird. Mit dem damit verbundenen Effekt sollte man nicht auf keinen Fall zufrieden sein. Mit Projekten ist mehr möglich, als man ahnt.
Ihr
Holger Zimmermann
Projektmensch.
P.S: Projektmanagement ist Sache des Top-Managements