Dümpelnde Projekte wieder flott bekommen

Dümpelnde Projekte wieder flott bekommen: Projektstruktur-Workshop.

„Seit sieben Jahren versuchen wir das. Ich habe keinen Bock mehr.“ „Das ist die letzte Chance, die ich diesem Thema gebe!“ Die Sätze sind echt. Sie sind eine Auswahl dessen, was wir zu Ohren bekommen. Wir werden oft gerufen, wenn bereichsübergreifende Vorhaben nicht so recht vorankommen, um sie wieder flott zu bekommen.

Müssen solche Sätze wirklich sein? Weshalb dümpeln so viele Projekte vor sich hin, ohne Ergebnisse zu liefern? Was kann man dagegen tun? Was sind die Grundprinzipien für Erfolg?

Projekt-Arbeit an Abteilungen zu delegieren, ist ein großer Fehler

Ich muss gleich mal ein paar Menschen auf die Füße treten und bitte vorab um Entschuldigung. Manchmal geht das nicht anders, wenn man etwas besser machen will. Ich will etwas besser machen. Denn mit bereichsübergreifenden Projekten gestalten Unternehmen Zukunft, erschließen sich neue Geschäftsfelder, steigern die Produktivität mit KI, schaffen die Digitale Transformation. Ohne bereichsübergreifende Projekte keine Anpassung an die Anforderungen von morgen. 

Liebe Projekt-Auftraggeber, werte Projekt-Sponsorinnen, bei Euch fängt das Dilemma an. Ja, liebe Vorstände, Geschäftsführerinnen und Bereichsleiter. Ihr seid gemeint. Auf Euch kommt es an, dass die Sache von Anfang an auf soliden Beinen steht. Das könnt Ihr mit wenig Aufwand erreichen. Ihr müsst lediglich aufmerksam sein und das Thema bewusst ins Rollen bringen.

Wenn Ihr nicht erkennt, dass es sich bei einer anstehenden Aufgabenstellung um ein Projekt handelt, und den Abteilungen sagt, sie sollen sich kümmern, habt Ihr mit Sicherheit einen Missstand konstruiert. Das passiert im Management-Meeting ganz schnell, fast schon nebenbei: „Ich nehme das mal mit“, sagt die IT-Chefin. Jeder ist froh. Damit ist dieses unbequeme Thema, dieser Sonderfall, scheinbar vom Tisch. Aber eben nur scheinbar.

Nehmen wir an, Euer Unternehmen will das Produkt-Portfolio weiterentwickeln, weil sich der Markt und Eure Strategie geändert haben. Dann beauftragt „das Management“ die Marketing-Abteilung damit, die Werbung zu machen, das Daten-Team die Daten anzupassen, die IT den Online-Shop vorzubereiten und die Sales-Mannschaft sich um den Verkauf zu kümmern. Alle diese Bereiche werden über den jeweiligen Vorgesetzten instruiert und in Gang gebracht. 

Kann das funktionieren?

Nein, das funktioniert nicht. Anfangs sieht es zwar noch so aus, als würde alles klappen, die Berichte sind deutlich grün. Spätestens jedoch wenn es gegen Ende geht, wenn es darum geht, live zu schalten, online zu gehen, stockt das Ganze. Dann entstehen plötzlich Klärungsschleifen. 

Das Management muss nochmal zusammenkommen, um Entscheidungen zu treffen. Die Werbung deckt sich nicht ganz mit dem, was die Produktmanager vorhatten. Sales fühlt sich zu wenig informiert und der Online-Shop, ja, dem fehlen noch zwei Funktionen. Das Projekt kommt ins Stocken.

Die Koordination fehlt

Weshalb das passiert? Es fehlt die Koordinationsleistung. Abteilungen sind gut darin, Standards in vielen Wiederholungen auszuführen, Routinen zu nutzen. Bei meinem Beispiel handelt es sich aber um einen Sonderfall, eine einmalige Angelegenheit, bei der am Ende die Ergebnisse bereichsübergreifend zusammenpassen müssen. 

Das erfordert es, dass jemand das Zusammenspiel der Beteiligten koordiniert. Sonst passen die Ergebnisse eben nicht zusammen. Jeder arbeitet zwar nach bestem Wissen und Gewissen, allerdings nach eigenen Maßstäben und Vorstellungen.

Sobald sichtbar wird, dass die Ergebnisse nicht zusammenpassen, wird es schwierig. Jetzt stehen Vorwürfe im Raum: „Ihr hättet uns informieren müssen!“ „Das hat mir keiner gesagt.“ „Soll ich das erraten, oder was?“ 

Jeder für sich hat gute Arbeit gemacht, gut im Sinne der bisherigen Standards jedes Unternehmensbereichs. Das große Ganze, das hat leider nicht geklappt. Frust macht sich breit, das Energielevel aller Beteiligten sinkt.

Dass es sich in meinem Beispiel um ein strategisch wichtiges Thema handelt, ist der best mögliche Fall. Je bedeutender eine Angelegenheit ist, desto eher springt ein Retter in die Bresche. Dann nimmt im Zweifel die Geschäftsführerin das Heft des Handelns in die Hand und sorgt dafür, dass die Ergebnisse am Ende doch noch zusammenpassen. 

Das ist dann ein enormer Kraftakt. Mit viel Energieaufwand und zusätzlichen Kosten wird später geliefert, aber immerhin.

Bei vielen weniger sichtbaren Projekten verläuft sich die Sache einfach im Sand. Das Projekt fällt aus dem Reporting raus, weil man sich „das mal genauer anschauen“ muss, was da nicht vorwärts kommt. Die Regelkommunikation findet schon lange nicht mehr statt. Nach und nach landet das Vorhaben immer weiter unten im Stapel einer Führungskraft, weil andere Dinge dringender sind. Das Thema dümpelt so vor sich hin.

Irgendwann fällt das jemand auf. „Was ist denn eigentlich mit der Digitalisierung des Lagers? Das müssen wir jetzt endlich mal richtig angehen!“ Gesagt getan. „Logistik, Ihr kümmert Euch ums Lager! Schaut mal nach neuer Technik. IT, sorgt für die Infrastruktur und beschafft die Software!“ Das Spiel beginnt wieder von vorne. 

Spätestens beim dritten solchen Anlauf ist die Luft endgültig raus. Das Thema ist verbrannt, die Chance vertan. Sehr häufig haben wichtige Protagonisten das Unternehmen verlassen. Das Vorhaben ist nun endgültig im Dümpelmodus angelangt. Obwohl jede Abteilung ihr Bestes gegeben hat, obwohl es Pläne gab, Sprints durchgeführt wurden, Ressourcen zugeordnet waren. 

Raus aus dem Dümpelmodus: Alle an einen Tisch!

In bereichsübergreifenden Projekten gibt es ein banales und gleichzeitig durchschlagendes Grundprinzip für Erfolg: „Alle an einen Tisch!“ Aus dem Projektteam muss eine Art temporäre Abteilung werden, die sich um das Spezialthema kümmert. Eine gut koordinierte und geführte Abteilung. 

Aus dem Projektteam muss eine Art temporäre Abteilung werden, die sich um das Spezialthema kümmert. Eine gut koordinierte und geführte Abteilung. 

Die Betonung liegt auf „gut koordiniert“. Genau diese Koordination der potenziellen Komplizen fehlt, wenn Projekt-Arbeit an Abteilungen delegiert wird. Dann koordiniert die IT-Chefin die IT-Aufgaben und der Marketing-Boss die Marketing-Arbeitspakete. Erst die bereichsübergreifende Koordination durch eine Projektleiterin sorgt dafür, dass die einzelnen Ergebnisse zusammenpassen und die Arbeit Hand in Hand geht.

Dass sich die Abteilungsleiterinnen und Abteilungsleiter bei der Projektarbeit raushalten, ist eine wichtige Voraussetzung für Erfolg. Sie leihen „ihr Personal“ auf Zeit an das Projekt aus. Was genau die Mitarbeitenden im Projekt machen, ist nicht ihre Verantwortung. 

Die Spielregeln, nach denen dieses Ausleihen geschieht, werden zwischen Projektleitung und Abteilungsleitung (oder Teamleitung) vereinbart. Wichtig ist, dass die Vereinbarungen für alle Beteiligten klar sind und regelmäßig abgeglichen wird, inwieweit sie an die Entwicklungen in Abteilung oder Projekt angepasst werden müssen. 

„Max Müller arbeitet Donnerstag und Freitag für das Projekt, den Rest der Woche für die Abteilung.“ Das ist eine Grundlage, mit der jeder was anfangen kann. Max Müller weiß, wie er sich organisieren muss und was erwartet wird, die Projektleiterin weiß, wann sie Arbeit abgeben kann und wann nicht – und die Komplizen im Projektteam wissen, wann sie Max ansprechen können und wann besser nicht.

Der Projektstart-Workshop als Inbegriff für „Alle an einen Tisch!“

Die Grundlage dafür, wie sich jemand konkret in ein Projekt einbringt, wird im Projektstart-Workshop gelegt. Der ist für mich der Inbegriff für „Alle an einen Tisch!“ Für mich ist ein Projektstart-Workshop DAS Projektmanagement-Element mit der größten Hebelwirkung auf den Projekterfolg. Ein gut moderierter Tag kann selbst für größere Projekte kleine Wunder bewirken.

Mit dem Kick-off darf dieser Workshop keinesfalls verwechselt werden. Der Projekt-Sponsor sagt einem potenziellen Projektleiter, dass er sich einer Sache annehmen soll. Der klärt Ausgangslage und Mandat, gewinnt potenzielle Komplizen für den Auftakt und dann ist auch schon der Projektstart-Workshop dran. Zu einem Zeitpunkt also, zu dem es noch weit mehr Fragen als Antworten gibt. 

Das Wort „Workshop“ im Titel ist ernst gemeint. Die potenziellen Kandidaten für das Projektteam erarbeiten sich eine tragfähige Organisationsstruktur und Vorgehensweise, um das Projekt gemeinsam zu einem Erfolg zu machen. Sie erarbeiten sich, wie sie vorgehen wollen, um Antworten auf die vielen Fragen zu finden. Sie sprechen über die Arbeitspakete, die erledigt werden müssen, damit die Probleme nach und nach gelöst werden.

Das ist eine wichtige Aussage. Sie erarbeiten Organisation und Vorgehen. Sie erarbeiten nicht die Problemlösung, etwa wie die Funktionen einer zu entwickelnden Software sein sollen oder was auf der ersten Seite der neuen Werbebroschüre stehen soll. Diese Ergebnisse erarbeiten einzelne Komplizen im späteren Projektverlauf. Im Workshop wird geklärt, wer sich darum kümmert und was das bedeutet.

Nochmal: Es geht darum, dass die aus verschiedenen Unternehmensbereichen ausgeliehenen Fachexpertinnen und Fachexperten Hand in Hand arbeiten, um das Projekt zum Erfolg zu machen. Es geht darum, dass sie gut koordiniert zu Werke gehen. Weil die fehlende Koordination das Puzzleteil ist, das Projekt-Blockaden und Dümpelei zur Folge hat. 

Die Projektleitung hat die Aufgabe, diesen Prozess zu moderieren, dem Team zur Struktur zu verhelfen und dann über Regelkommunikation und Fortschrittskontrolle den Projektmotor in Schwung zu halten. 

Wer die Projektleitung als eine Art „Oberexpertin“ sieht, produziert damit das nächste Blockade-Risiko. Oberexperten als Projektleiter sind regelmäßig ein starker Engpass. Gleichzeitig führen sie zu künstlich schwach gehaltenen Teams. 

Projektstruktur kann man jederzeit nachziehen

Ideal ist es, lange vor dem Kick-off mit einem gut moderierten Projektstart-Workshop ins Rennen zu gehen. Klare Ziele, ein gut koordiniertes Zusammenspiel, eindeutige Rollen und eine stabile Arbeitsaufteilung sind wesentliche Ergebnisse daraus. Das reduziert Reibung, minimiert Konflikte und sorgt vor allem dafür, dass Blockaden und Dümpeln von Beginn an vermieden werden.

Die gute Nachricht: Eine solche solide Basis kann man jederzeit nachziehen. Dann wird aus dem Projektstart- eben ein Projektstruktur-Workshop. Anlass kann schlicht der Übergang in die nächste Projektphase sein oder der Fakt, dass ein Projekt nicht vorankommt, wie es vorankommen sollte. 

Je nach Historie des Projekts und Frustrationsniveau, ist ein solcher Workshop dann auch ein gutes Instrument, um diesen Frust aufzunehmen und in eine konstruktive Kraft zu verwandeln. Vorausgesetzt die Projektleitung hat ein zweites wesentliches Grundprinzip in Projekten im Blick: „Sorg dafür, dass das Team als Ganzes in Bewegung kommt und anpackt!“ Helden mit großem Nachtschicht-Potenzial sind keine guten Projektleiter.

Diesen Spirit kreiert man nur, wenn man einen gemeinsamen Ausgangspunkt für die gemeinsame Reise anbietet. Und anerkennt, dass jeder seine eigenes „Gepäck“ mitbringt zur Reise. Ob einem dieses Gepäck gefällt oder nicht. Ein guter Workshop in diesem Sinn beginnt, damit, die Lage zu klären und dabei dafür zu sorgen, dass sich die Beteiligten zuhören. Zuhören, um zu verstehen.

Die Art und Weise, wie wir diese Projektstruktur-Workshops typischerweise anlegen, bringt genau diesen Vorteil mit. Sie sorgt dafür, dass jeder sieht, wer was an „Gepäck“ dabei hat. Und sie sorgt dafür, dass alle verstehen, dass das in Ordnung ist. Die Vergangenheit kann man nicht mehr korrigieren. Die Zukunft schon. 

Gelingt es, allen klar zu machen, dass es für die Zukunft eine gute Chance gibt, die Dinge zu gestalten, Einfluss zu nehmen, schafft das Motivation. Motivation als grundlegende Bereitschaft, sich einzubringen, sich zu engagieren. 

Diese Workshops sorgen auch dafür, dass die nächsten Ziele klar sind, dass jeder seine Rolle erkennt und damit seinen Beitrag. „Wo mach ich in diesem Projekt einen Unterschied?“ Wer die Antwort auf diese Frage kennt, sie selbst mitentwickelt hat, der geht anders zu Werke, als der, der spürt, dass es aneinander vorbei gearbeitet wird. 

So endet das Dümpeln meist nach kurzer Zeit. Spätestens dann, wenn in der nachfolgenden Regelkommunikation sichtbar wird, dass die Ergebnisse des Workshops ernst gemeint waren. Dass tatsächlich jeder anpacken kann und das auch tut, dass direkte Kommunikation in dieser „temporären Abteilung“ keine leere Worthülse war, dass die Projektleitung unterstützt und die Problemstellen aktiv angeht. 

Wie in einer gut organisierten Abteilung eben, nur dass in diesem Fall Menschen gemeinsam anpacken, die man im Organigramm über das Unternehmen verteilt findet – und vielleicht sogar außerhalb bei Kunden, Dienstleistern und Lieferanten.

Mit Projekten ist mehr möglich, als man ahnt.

Holger Zimmermann
Inhaber & Geschäftsführer Projektmensch

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