So führen Sie Ressourcenmanagement ein. Fünf Bausteine.

Ressourcenmanagement bedeutet, einen Marktplatz der Kapazität zu organisieren.

„Zu wenig Mitarbeiter für zu viele Projekte!“ Das antworten Unternehmenslenker und Management-Teams derzeit auf die Frage, was das Top-Thema ist, das es zu lösen gilt. Das deckt sich mit dem, was wir in den Projekten erleben, die wir mit unseren Projektguides unterstützen. Die Umstellung auf „SAP S4 HANA“ mal schnell eintakten? Pustekuchen. Knappe Ressourcen, zu geringe Kapazitäten gibt es wirklich überall.

Wie also gelingt die Problemlösung, wie führt man „Ressourcenmanagement“ ein? Hier fünf wesentliche Bausteine und ein grundlegender Fehler, den viele unnötigerweise machen.

Eine Lanze für das Wort „Ressource“

Vorweg möchte ich eine Lanze brechen für das Wort „Ressourcenmanagement“. Es geht beim Wort „Ressource“ um die Ressourcen, die wir bereitstellen, um die Zeit und das Know-how das Mitarbeiter einbringen. Die Gleichsetzung von Ressource mit Mensch ist für mich fehl am Platz.

Unter diesem Gesichtspunkt will ich Ressourcenmanagement verstanden wissen. Das ist textlich manchmal wirklich schwierig treffend zu beschreiben, ohne dass die Sätze arg holprig werden. Deshalb bitte ich um Verständnis, wenn ich manchmal die Abkürzung gewählt habe und von „Arbeitskraft“ oder „Menschen“ schreibe, wenn ich genau genommen deren Zeit und Know-how meine.

Ressourcenmanagement ist das Gestalten eines Marktplatzes

Ein Marktplatz lebt von Angebot, Nachfrage und Spielregeln, an die sich die Akteure halten. Ressourcenmanagement ist ein solcher Marktplatz. Auf der einen Seite sind die Projekte, die einen Bedarf an Kapazität haben. Dieser Bedarf muss gedeckt werden, damit die Vorhaben erfolgreich ins Ziel gebracht werden können.


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Auf der anderen Seite stehen die Fachbereiche plus andere Unternehmen, die ein Angebot an Zeit und Know-how bereitstellen, sprich: Personen, die für Aufgaben in Projekten eingesetzt werden können. Diese Personen haben meist bereits anderweitige Verpflichtungen, eben das, was umgangssprachlich als „meine normale Arbeit“ bezeichnet wird.

Wer Ressourcenmanagement etablieren will, der muss diesen Marktplatz so gestalten, dass am Ende ein stabiler Prozess, ein verlässliches Ritual etabliert ist, wie Angebot und Nachfrage zueinander kommen. Das gilt sowohl für die vorab im Rahmen der unternehmerischen Jahresplanung bereits bekannten Vorhaben wie auch für die, die unterjährig starten.

Gleichermaßen muss dieser Marktplatz mit Abweichungen umgehen, etwa wenn wir den Bedarf falsch eingeschätzt haben oder das Angebot, beispielsweise aufgrund Krankheit, nicht mehr zur Verfügung steht. Der Marktplatz muss Spielregeln haben, die für gute wie auch schlechte Zeiten taugen.

Diese Regeln und Mechanismen zu entwerfen ist noch relativ einfach. Die größere Herausforderung ist es, aus den geschriebenen Regeln echtes Alltagshandeln zu machen. Das gelingt nicht auf Knopfdruck, auch wenn sich das viele immer wieder erhoffen. Es braucht viel Beharrlichkeit derjenigen, die die Aufbauarbeit verantworten, damit die Regeln gelebt werden.

Wir haben gute Erfahrung damit gemacht, mit einer kleinen Auswahl an Projekten, am besten den Top-Projekten im Unternehmensportfolio zu starten, damit die Implementierung gelingt. Diese werden anhand ihrer Rangfolge, einer klareren Form der Priorisierung, „eingelastet“. Das Vorgehen ist dem ähnlich, wie wir es von Produktionsprozessen bestens kennen, allerdings mit einem wesentlichen Unterschied: Aufgaben werden nicht an Abteilungen delegiert, sondern Mitarbeiter aus Fachbereichen an Projekte ausgeliehen. Dazu später mehr.

Erste Voraussetzung: Den Bedarf benennen

Damit der Marktplatz überhaupt die Chance hat, gut zu funktionieren, muss der Bedarf bekannt sein. Dazu müssen die Projektteams irgend eine Form von Projektplanung liefern, die den Bedarf pro Know-how-Gruppe über der Zeit benennt.

Das mögen nicht alle Projektteams, weil Projektplanung – egal nach welchem methodischen Ansatz – häufig als Bürokratie und unnötiger Aufwand gesehen wird. Dann frage ich mich: Wie um Himmels Willen können sich diese Teams über fehlende Kapazität beschweren, wenn sie gar nicht in der Lage sind, eine klare Einschätzung zu liefern, wen sie wann voraussichtlich benötigen?

Es bleibt nicht aus: Die Bedarfsschätzung auf Basis irgend einer Form der Projektplanung ist unbedingt nötig, schlicht nicht verzichtbar. Sie kann grob ausfallen, sollte jedoch mindestens alle bereits bekannten Tätigkeitsfelder und alle Liefergegenstände für das jeweilige Vorhaben mit im Blick haben. Werden nur Teile der Vorhaben betrachtet, fehlen irgendwann irgendwo doch wieder Personen, die die anstehenden Aufgaben erledigen können.

„Grob“ bedeutet in diesem Fall, dass es gilt,

  • die anstehenden Teilaufgaben in einer Übersicht zusammenzufassen,
  • diese Teilaufgaben über der Zeitachse zu verteilen, beispielsweise in Monatsintervallen, und
  • je Teilaufgabe die Gruppe von Personen zu benennen, die das Projekt zur Erledigung der Aufgabenpakete benötigt.

Damit ist eine erste Einschätzung des Bedarfs pro Personengruppe und Monat möglich, die als Grundlage der Verhandlungen um Kapazitäten dient. Wer das auf Profi-Niveau machen will, der benennt mit der Einschätzung gleich noch die Risikoreserve, die an besonderen Projektstellen nötig sein kann, und sichert so sein Projekt ab.

Die Abweichung vom Plan ist erwartbar, weshalb das System darauf ausgelegt sein muss, möglichst elegant damit umgehen zu können.

Dieser Blick ins Profi-Lager macht eine wichtige Haltung in Sachen Ressourcenmanagement deutlich: Bei aller Planung handelt es sich um Schätzungen. Schätzungen enthalten per Definition Unsicherheit, keine Wahrheit. Deshalb braucht Ressourcenmanagement immer Systematiken, die mit diesen Unsicherheiten offen und ehrlich umgehen. Die Abweichung vom Plan ist erwartbar, weshalb das System darauf ausgelegt sein muss, möglichst elegant damit umgehen zu können.

Der Umgang mit Unsicherheit und Abweichungen beginnt bei der Einschätzung des Bedarfs. Wir bei Projektmensch verwenden entsprechend das Wort „Einschätzung“ anstelle von „Planung“ oder „Berechnung“, um allen Beteiligten die Unsicherheit bewusst zu machen: „Bedarfsschätzung“ anstatt „Bedarfsplanung“ hilft, Missverständnisse zu vermeiden und offen mit Unsicherheiten umgehen zu können.

Zweite Voraussetzung: Das Angebot offenlegen

Mit der Darstellung des Kapazitätsangebots werden die Diskussionen spannend. Wenn es darum geht, das Kapazitätsangebot der Fachbereiche offen zu legen, ist mit Widerstand zu rechnen. Verständlicherweise. Schließlich bedeutet die Abgabe von Kapazität an Projekte weniger Ressourcen für die Abteilungsziele. Ein Konflikt für jede Person, die eine Abteilung leitet.

Dazu noch sind die Abteilungen aus dem Routinebetrieb gewohnt, dass der Chefin, dem Chef der Abteilung Arbeitspakete übertragen werden, die diese wiederum innerhalb des eigenen Teams delegieren. Was für Projekte ein fataler Fehler ist. Dann werden AbteilungsleiterInnen zum Engpass für Projekte, sitzen in unzähligen Projektbesprechungen, nur um Arbeitspakete mitzunehmen und später zu verteilen. Ohne direkt zum Projekt beitragen zu können, weil die inhaltliche Arbeit ja von den eigenen MitarbeiterInnen gemacht wird.

Eine der wichtigsten Grundregeln für einen funktionierenden „Marktplatz der Kapazitäten“ ist es, dass Mitarbeiter auf Basis einer Vereinbarung zwischen Projektteam und Abteilung an ein Projekt ausgeliehen werden. Dieser „Kapazitätsvertrag“ oder „Ressourcenvertrag“ ist Grundlage für die Zusammenarbeit. Je klarer die Vereinbarung, desto besser.

Konkret bedeutet das beispielsweise, dass Kollegin Katrin Schwind für das Projekt „eCommerce Europa“ zwei Tage pro Woche, idealerweise Donnerstag und Freitag, für das Projekt arbeitet, den Rest der Woche für die Abteilung. Um ein Beispiel zu nennen.

Eine solche Vereinbarung spart der Abteilungsleitung Zeit, macht das Projekt handlungsfähig und gibt Katrin Schwind Sicherheit. Darüber hinaus sollte in einer solchen Kapazitätsvereinbarung gleichzeitig vereinbart werden, wie die Beteiligten verfahren wollen, wenn die Realität sich anders einstellt als es für die ursprüngliche Vereinbarung die Annahme war.

Marktplätze brauchen Spielregeln und Rituale

Solche Spielregeln sind die Grundlage dafür, dass der Marktplatz der Kapazität funktioniert. Vereinbarungen zwischen den Beteiligten ersetzen starre Prozesse und sorgen dafür, dass alle Beteiligten handlungsfähig sind. Wo sich eine Vereinbarung nicht als praktikabel herausstellt oder sie von der Realität überholt wird, wird eine neue Vereinbarung verhandelt. Das macht den Marktplatz zu einem lernenden und anpassungsfähigen System.

Damit diese Verhandlungen produktiv geführt werden, braucht es Rituale, sprich: Handlungsmuster, nach denen die Akteure immer gleich verfahren. Etwa wenn die Verantwortlichen aus dem PMO einmal im Monat zur Projekt-Ressourcenkonferenz einladen, um die Zuordnung von Personen zu Projekten zu optimieren und gleichsam die Marktplatz-Regeln zu verbessern. Oder wenn sich die definierten Entscheider alle sechs Wochen treffen, um die Rangfolge für die Projekte zu vereinbaren und neue Projekte einzureihen.

Wie es auch Rituale im Kleinen braucht, etwa Standard-Tagesordnungen für das Klären von Engpässen zwischen zwei Projekten. Das spart den Projektleitern Mühe und reduziert die Konflikte, was am Ende allen Beteiligten und den Projekten zugute kommt.

Alles fängt mit dem richtigen Projekt-Portfolio und Prioritäten an

Wer systematisches Ressourcenmanagement in seinem Unternehmen etablieren will, tut gut daran, mit einem klaren Projekt-Portfolio zu beginnen. Das ist einfacher, als viele meinen: Eine Tabelle mit eindeutigen Projektnamen, ohne Dopplungen, sowie den Namen der Projektleiter macht den Anfang.

Meist gibt es dabei schon erste Erkenntnisse, etwa wenn zwei Personen am gleichen Vorhaben arbeiten jedoch unter anderem Titel und gar nichts voneinander wissen. Oder eine Projektleiterin sechsmal als Projektleiterin aufgeführt wird, wobei offensichtlich wird, dass das vermutliche keine gute Idee ist, da schlicht nicht machbar.

Ich habe es noch nie erlebt, dass beim Erstellen der ersten Übersicht nicht schon erste Optimierungen erschlossen wurden, gerade auch im Bereich der Kapazität. Wer will kann neben den Projektleitern auch die fünf wichtigsten Komplizen mit in die Liste aufnehmen. Wo Dopplungen auftreten, lohnt ein genauerer Blick.

Dieser genauere Blick führt im nächsten Schritt meist dazu, dass die Projektleiter sich genauer damit auseinandersetzen müssen, den Kapazitätsbedarf zu benennen. Wieder helfen einfache Übersichten, wann welche Person in welchem Umfang benötigt wird. Ein monatliches Raster mit dem Kapazitätsbedarf von Tagen pro Projekt und Monat bietet meist einen guten Einstieg.

Schon ist das Ressourcenmanagement auf dem Weg, kann Zug um Zug weiterentwickelt werden. Aus der groben Bedarfsmeldung werden für die bedeutendsten Projekte genauerer Schätzungen, etwa in Form der Anzahl von Sprints oder einem Gantt-Chart als Projektplan. Das Raster wechselt von monatlich auf wöchentlich, weil IT-Systeme bei der Verwaltung helfen und die Sache produktiver machen.

Nun braucht es noch klare Prioritäten, damit aufgedeckte Engpässe im Sinne der Gesamtstrategie aufgelöst werden. Wobei „Prioritäten“ oft in die Irre führt, weil es dann wieder fünf Projekte mit „Priorität A“ gibt, was nicht hilft. Besser funktioniert das Denken in einer Rangfolge. Diese Rangfolge ist wie eine eindeutige Vorfahrtsregelung. Das Projekt mit höherem Rang bekommt im Konfliktfall die benötigte Kapazität zuerst, das Projekt mit niedrigerem Rang muss umdenken.

Das Portfolio-Board, das über die Rangfolge wacht, sorgt mit einer klaren Rangfolge dafür, dass die Projektteams selbst in der Lage sind, einen Großteil der Ressourcenkonflikte selbst zu lösen. Das wiederum trägt dazu bei, dass die Projekte im Unternehmen zügig vorankommen, da sie nicht vom Warten auf Gremienentscheide blockiert werden. Was aus meiner Sicht der wesentliche Schlüssel ist, damit Ressourcenmanagement als hilfreich erlebt und deshalb akzeptiert und umgesetzt wird.

Die zentrale Frage hinter schlankem und schnellem Ressourcenmanagement

Bei der Einführung von Ressourcenmanagement sollten Sie sehr wachsam sein. Schnell wird aus einem gut gemeinten Hilfsmittel ein bürokratisches Monster mit zentraler Planwirtschaft. Das macht Unternehmen langsam und führt zu einer Schattenwelt der Projekte, da sonst kein Vorhaben ins Ziel kommen würde. Das allerdings ist unnötige Energieverschwendung.

„Was muss geschehen, damit sämtliche handelnde Personen automatisch im Sinne eines guten Ressourcenmanagements und unserer Ziele handelt?“

Uns hilft eine zentrale Fragestellung immer wieder, ein schlankes und schnelles Ressourcenmanagement aufzubauen: „Was muss geschehen, damit sämtliche handelnde Personen automatisch im Sinne eines guten Ressourcenmanagements und unserer Ziele handelt?“ Wer mit dieser Frage arbeitet, arbeitet am System und weniger im System.

Der Fokus auf diese Frage erhöht die Wahrscheinlichkeit ungemein, dass Ressourcenmanagement am Ende angewandt wird, funktioniert und Nutzen stiftet. Weil es als Hilfsmittel dient, nicht als Selbstzweck. Die für das Unternehmen relevantesten Projekte kommen dank dieses Denkansatzes gut und zügig ins Ziel. In die unbedeutenden Projekte wird erst gar keine Energie investiert.

Am Ende bieten eine funktionierende Portfolio-Steuerung und systematische Projektstarts den größten Hebel für einen sorgsamen Umgang mit wertvollen Ressourcen. Eben wenn sich die Menschen nach den Prioritäten richten und richten können.

Mit Projekten ist mehr möglich, als man ahnt.

Ihr
Holger Zimmermann
Inhaber & Geschäftsführer Projektmensch

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