Wie macht die das? Über Wert und Nutzen guter Projektführung.

Gute Projektführung, gute Zusammenarbeit.

Hatten Sie schon mal das Gefühl, dass Sie Ihren Projektleiter gar nicht brauchen, weil das Team so wunderbar zusammenarbeitet und das Projekt irgendwie flutscht? Da kann man schon mal auf die Idee kommen, diese Position zu streichen. Sieht im Budget gleich viel besser aus. Immerhin kostet die Projektsteuerung zwischen zehn und 15 Prozent des Projektvolumens*, wovon ein beträchtlicher Teil für die Projektleitung zu Buche schlägt. Bleibt nur eine Frage: Was genau hat dazu geführt, dass dieses Team so wunderbar „funktioniert“?

Spätestens mit dieser Frage lade ich Sie ein, nochmals zurück an den Anfang dieses wunderbaren Projekts zu springen und in Gedanken zu beobachten, was genau da passiert ist. Und was genau die oder der Projektleiter:in gemacht hat – oder auch gelassen hat. Dann kommen Sie womöglich zur Einschätzung, dass schon nach dem Auftakt die Stimmung so gut war, so offen, so konstruktiv, so „miteinander“. Zufall? Magie? Kairos?

Solch eine Stimmung entsteht nicht einfach so, per Beschluss, sondern sie entsteht, weil sich da jemand mit Erfahrung Gedanken gemacht hat, wie sie, wie er genau diese Stimmung herstellen kann. Genau das ist Aufgabe der Projektleitung, die besser „Projektführung“ heißen sollte. Und ja: ich schreibe von „Stimmung“, denn die prägt letztlich, wie wir tatsächlich zusammenarbeiten und wie es uns gelingt, Ergebnisse zu schaffen, Aufgabenpakete zu erledigen, Konflikte zu lösen, Budgets einzuhalten.


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Wer jetzt große Unterschiede in Methode und Vorgehen sucht, geht fehl. (Außer er vergleicht Anfänger mit Profi.) Es sind die Details in der Arbeit der Projektleitung, die Nuancen, die den Unterschied zwischen Projektleitern und herausragenden Projektleitern machen.

Gleiches Kick-off, unterschiedliches Ergebnis: wo das Miteinander gewinnt.

Zwei Projektleiter:innen laden zum „Kick-off“ ein: Ausgangslage, Ziele, Aufgabenberg, Roadmap, Rollen stehen bei beiden auf der Agenda. Zwei Stunden stehen jeweils dafür zur Verfügung.

Der eine, nennen wir Ihn Thomas Paulsen, erklärt den Mitstreitern, wie das Projekt funktionieren wird, hat auf jede Frage die passende Antwort, hat einen klaren Plan in PowerPoint. Das „Kick-off“ ist wirklich gut vorbereitet, das Projekt von vorne bis hinten durchdacht. „Kompliment“, denken Sie noch, „da kann ja nichts schiefgehen! Der hat das im Griff.“

Die andere, nennen wir diese fiktive Kollegin Svenja Wagner, kommt mit Flipchart und Stift, hat Fragen, bittet darum, die Aufgabenübersicht kurz gemeinsam mit Kärtchen an der Pinnwand zu erstellen, jeder bitte aus seiner Perspektive. Jede kritische Anmerkung wird ernst genommen, sie hört zu und schreibt öffentlich mit. Hat Fragen, nur wenig Antworten.

Sie waren als Mitstreiter bei beiden Meetings dabei. Hand aufs Herz: Wo haben Sie eher das Gefühl, etwas beitragen zu können und zu müssen? Wo haben Sie eher das Gefühl, dass es auf Sie ankommen wird, damit das gelingt? Wo fühlen Sie sich und Ihre Fragen eher ernst genommen?

Ich mache seit über 23 Jahren nichts anderes, als Unternehmen darin zu unterstützen, dass Projekte gelingen. Ich verspreche Ihnen: die zweite Variante wird mit Abstand besser funktionieren. In diesem Projekt wird weniger Zeit für Konflikte draufgehen, sie werden weniger korrigieren müssen, weil sie von irgendeinem Mitstreiter rechtzeitig gewarnt werden, wenn etwas nicht stimmt, die Menschen werden selbstständiger arbeiten, der Aufwand für Abstimmung und Koordination sinkt. Weil eine fähige Projektleiterin einen guten Job gemacht hat.

Doch damit nicht genug. Das war der Auftakt, jetzt geht es an die Umsetzung.

Wir sitzen im Jour Fixe bei Paulsen. Er hat den aktuellen Teil des Projektplans oder des Backlog in Confluence aufbereitet, bereit fürs Protokoll, die Namen der Verantwortlichen sind bereits zugeordnet samt Fälligkeitsterminen. „Gehen wir von oben nach unten durch!“ „Noch Fragen?“ „Wie machen wir das mit der Zuleitung?“ fragt eine Kollegin, Paulsen kennt die Antwort und falls nicht, verspricht er, sie zu besorgen. Wo unterschiedliche Meinungen sind, entscheidet Paulsen schnell und ohne mit der Wimper zu zucken. Und ermahnt: „Lassen Sie uns sachlich bleiben!“ Auf Einwände und Risiken hat er ebenfalls immer Antworten parat.

Anders bei Wagner. Den gemeinsam erstellten Plan aus dem Kick-off hat sie aufbereitet und er hängt für alle sichtbar an der Wand. Gemeinsam hatte man entschieden, was Priorität hat und was deshalb als erstes gestartet werden soll. Nun berichten die Verantwortlichen reihum von ihren Erfolgen und darüber, was nicht gelungen ist. Wo unterschiedliche Sichtweisen zu spüren sind, sorgt Wagner dafür, dass sie ausgesprochen werden und die Gruppe klärt, wie sie damit umgehen will. Einwände werden grundsätzlich für alle sichtbar schriftlich erfasst und Wagner sorgt dafür, dass diese Einwände wirklich verstanden wurden. Entscheidungen müssen fast gar nicht getroffen werden, weil sie sich von alleine ergeben, der logische Schluss der von Wagner moderierten Diskussion sind. Die Ergebnisse werden anschließend in Confluence erfasst, wobei sich die Teilnehmer selbst den Aufgaben zuordnen. Wo sich niemand findet, klärt die Gruppe, wie sie damit verfahren will.

Weniger Konflikte, weniger Tuscheln auf dem Gang, vorausschauende Unterstützung durch die Kollegen, weniger Hektik – ein paar Aspekte, die gute Projektführung schafft.

Ich frage diesmal nicht, welches der Teams wohl besser liefern wird. Bei sehr einfachen Projekten kann Paulsen vielleicht noch die Nase vorn haben. Bei allen anderen wird das Team von Wagner besser sein. Mit Abstand.
Wieder gibt es weniger Konflikte, weniger Tuscheln auf den Gängen, weniger Boykott, die Menschen arbeiten selbstständiger, unterstützen sich, indem sie relevante Informationen weitergeben, sich auf Schwachstellen aufmerksam machen und diese gemeinsam ausräumen, bevor sie entstehen. Damit muss dieses Team weniger nacharbeiten, weniger korrigieren, weniger in Hektik noch schnell und in geringer Qualität etwas erledigen.

Paulsen könnte auch eine Frau sein und Wagner ein Mann. Das ist unerheblich für diese Geschichte. Relevant ist, wie diese Menschen ihre Komplizen führen und Zusammenarbeit gestalten. Da hat Wagner die Nase vorne. Wobei sie nie von sich, sondern von „uns“ sprechen wird. Noch so ein Detail.

Doch nochmal Hand aufs Herz: Bei welchem der beiden liegt es näher, auf die Leistung „Projektmanagement“ zu verzichten, weil alles doch so gut läuft? Ich fürchte, dass es so ausschauen wird, dass sie Paulsen unbedingt brauchen werden, während bei Wagner doch alles eh glatt läuft. So lange, bis Wagner nicht mehr da ist, nicht mehr dafür sorgt, dass zugehört wird, dass Struktur da ist, dass Kontroversen aufgedeckt und geklärt werden.

Bei den wirklich guten Projektleiter:innen läuft es gefühlt irgendwie einfach gut. Das spart allen Beteiligten Zeit und Energie. So recht weiß man gar nicht, warum das gut läuft, weil die Projektführung so unaufdringlich ist. Doch genau das ist ihr Job: gute Projektführung sorgt dafür, dass die Experten möglichst reibungsfrei gute Arbeit machen können und Zug um Zug Ergebnisse entstehen. Dass sich die Experten möglichst wenig mit Unnötigem beschäftigen müssen und ihre Zeit damit möglichst produktiv einsetzen können. Dass das üblicherweise auch noch Freude macht, ist ein wirklich schöner Nebeneffekt.

Gefühlte Kleinigkeiten machen den Unterschied: die passenden Worte, der Schutz wichtiger Momente auf dem Weg zu einen wirklich guten Team, Zuhören.

Gute Projektführung erreicht all das durch vermeintliche Kleinigkeiten, etwa indem sie die passenden Worte wählt, konflikt- und gewaltfrei, indem sie gezielt für Momente des Teambuilding sorgt und diese schützt, indem sie Konflikte regelrecht aufspürt – ganz früh in deren Entstehung – und so löst, dass die Mitstreiter gar nicht merken, dass da ein Konflikt war. Gute Projektführung sorgt für Struktur auf Basis der Gedanken der Mitstreiter, sorgt dafür, dass Probleme gemeinsam gelöst werden. Sie ist dabei ihrer Zeit voraus, denkt darüber nach, was für die Arbeit des Teams relevant werden wird. Daraus leitet sie Angebote an die Gruppe für das weitere Vorgehen, für sinnvolle nächste Schritte ab.

All die Projektmanagement-Methodik, ob agil oder traditionell, ist dafür Hilfsmittel, niemals im Vordergrund und schon gar kein Selbstzweck. Sie wird genutzt wie ein Werkzeug eben verwendet wird, etwa ein Hammer, der eben praktisch ist, wenn es gilt einen Nagel in die Wand zu hauen und unpraktisch, um eine Schraube in den Dübel zu drehen.

Sie flicht immer wieder das Projektziel ein in die Gespräche, damit Kurs gehalten wird, moderiert die Diskussionen, sorgt dafür, dass zugehört wird, dass Menschen und ihre Anliegen ernst genommen und verstanden werden, achtet darauf, den Fokus auf Ergebnisse zu halten. Bei alldem agiert sie unaufgeregt und unaufdringlich. Sie lädt eher ein zur Mitarbeit als dass sie fordert. Wobei sie sich nicht um die nötige Klarheit drückt, wo sie angebracht ist, denn sie versteht, wie Kooperation erreicht werden kann.

Am Ende spüren Sie, spüren alle Beteiligten den Wert und Nutzen eher, als dass Sie ihn ausrechnen können. Sie rufen dann nicht „Sch*** Projekt!“ sondern erinnern sich gerne an die Zeit mit Ihren Mitstreitern zurück und an das, was Sie gemeinsam auf die Beine gestellt haben.

Das gilt übrigens nicht nur für die Teammitglieder, sondern mit Sicherheit auch für die Unternehmensleitung, die man bei der Betrachtung von Projekten doch gerne vergisst: Der Vorstand muss weniger nachfassen, weniger Gedanken wälzen, sich weniger vor dem Aufsichtsrat rechtfertigen, weniger Budget nachträglich beschaffen.

Unterm Strich haben alle viel Zeit gespart und Energie, sind gute Beziehungen und Netzwerke entstanden anstatt durch Konflikte beschädigt. Das ist bares Geld wert fürs Unternehmen. Blöd nur, dass Sie das nicht ausrechnen können. Sie müssten dasselbe Projekt zur gleichen Zeit im gleichen Rahmen zweimal machen.

Da dies nicht möglich ist, bleibt wohl trotz aller spürbaren Gewinne die Frage im Raum, ob man Projektleitung wirklich braucht. „Kann man das Budget für die Projektleitung nicht einsparen?“ Geht doch auch irgendwie ohne. Oder wie sehen Sie das?

Ihr
Holger Zimmermann
Inhaber & Geschäftsführer Projektmensch


  • *Davon bis zu acht Prozent des Projektvolumens für Projektmanagement, zu finden unter anderem bei Manfred Burghardt in „Projektmanagement: Leitfaden für die Planung, Überwachung und Steuerung von Projekten“ (Link zu unserer lokalen Buchhandlung)
  • Confluence und PowerPoint sind Markennamen, deren Rechte beim Eigentümer liegen und die hier lediglich als Beispiele aufgeführt sind
  • Männliche Form, weibliche Ansprache oder divers? Ich bin so aufgewachsen und erzogen, dass das für mich keinen Unterschied in der Bewertung einer Person macht. Ich versuche stilistisch noch einen Weg zu finden, der das im Text ausdrückt ohne diesen holprig zu machen.
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