Dieser Fehler ist so banal, dass ich mich gar nicht recht getraue, dazu einen Artikel zu schreiben. Doch seine Korrektur kann Menschenleben retten. Es geht um die „Einführung der Corona-Warn-App“. Erkennen Sie den Fehler schon? Viele Digitalisierungsprojekte haben diesen Fehler, bei eben dieser App-Einführung ist er besonders fatal. Wird er korrigiert, kann das Menschenleben retten.
Stellen Sie sich zwei Projektteams vor. Eines beauftragen Sie damit, eine „Corona-Warn-App“ einzuführen. Was wird dieses Team am Ende liefern? Richtig: eine App, die warnt. Dann ist man stolz darauf, wie viele Menschen die App herunterladen, etwa wie im Tagesschau-Bericht vom 24. September zu lesen.
Das zweite Team beauftragen Sie damit, ein „Infektionskettenunterbrechungssystem“ zu liefern. (Ja, den Titel sollte ich wohl nochmal überdenken.) Erahnen Sie den Unterschied? Was wird das zweite Team liefern?
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Vielleicht ebenfalls eine App. Auf jeden Fall ein System, das Infektionsketten unterbricht. Und das ist Sinn und Zweck der ganzen Mühe: es gilt möglichst früh und möglichst schnell Infektionsketten zu unterbrechen, um die Ausbreitung des Corona-Virus mindestens langsamer zu machen. So werden Menschenleben gerettet.
Erfolg an unterbrochenen Infektionsketten gemessen anstatt an Downloads
Dann wird der Erfolg nicht an Downloads, sondern an der Anzahl unterbrochener Infektionsketten gemessen. Vielleicht sogar an der Anzahl der automatisch unterbrochenen Infektionsketten.
Dieser Perspektivwechsel erscheint mir in diesem und in vergleichbaren Projekten immer wieder sehr banal und doch hat er durchschlagende Wirkung. Dadurch, dass ich das Team beauftrage, einen bestimmten Nutzen zu liefern, denkt dieses Team anders. Denkt an das große Ganze und nicht nur an ein Stück Software.
Mit dem Auftrag ein System zur Unterbrechung von Infektionsketten zu liefern, hätte das Projektteam vermutlich ebenfalls an eine Warn-App gedacht, die Idee war ja da, der Nutzen greifbar. Doch dieses zweite Team, zwangsläufig interdisziplinär besetzt, hätte weiter gedacht. Es hätte mit Sicherheit dafür gesorgt, die Gesundheitsämter besser auszustatten, technisch wie auch mit mehr Personal, und anders an die Funktionen der App anzubinden, digital eventuell und nicht mit Faxgerät und Papier.
Es hätte an Prozessabläufe gedacht, die es zu implementieren galt, auch um die Belastung etwa gerade der Gesundheitsämter möglichst gering und fokussiert zu halten. Das Team hätte die Testlabore integriert in das Gesamtsystem. Und es hätte an die Kommunikation mit den Nutzern gedacht, auch außerhalb der App, um Verständnis und Akzeptanz zu schaffen. Das Team hätte begriffen, dass die App auf dem Telefon genutzt werden kann, um das Verhalten der Nutzer zu verändern.
Wir hätten von Anfang an ein ganzheitliches System gehabt, um Infektionsketten zu unterbrechen. Als Erfolgsindikator hätte die Zahl der unterbrochenen Infektionsketten gedient.
Der gute Teil der Botschaft? Diesen Fehler kann man korrigieren.
Was ist stattdessen passiert? Auf den ersten Blick war die App ein voller Erfolg. So viele Menschen haben sie auf ihr Smartphone geladen. Die App für sich funktioniert inzwischen, so mein Kenntnisstand, wunderbar. Ausbaustufen sind geplant, meldet Business Insider. Doch die Gesundheitsämter kommen nicht hinterher. (Eine einfache Risikoanalyse hätte dem Projekt zusätzlich gut getan, denn – mit Verlaub – dass das passieren würde, war wahrscheinlich und frühzeitig erkennbar.) Die Menschen wissen nicht so recht, ob und wie diese ganze Sache mit der App funktioniert. Skepsis entsteht.
Der gute Teil der Botschaft? Diesen Fehler kann man korrigieren.
Sehr geehrte Damen und Herren unserer Bundesregierung, sehr geehrter Herr Spahn, ändern Sie den Projektauftrag! Streichen Sie „Weiterentwicklung der Corona-Warn-App“ und ersetzen Sie diesen Auftrag durch „Aufbau eines Infektionskettenunterbrechungssystems“. Vielleicht fällt Ihnen dabei gleich noch ein besserer Titel ein als mir. Menschenleben retten kann diese Änderung allemal.
Bei Fragen: bitte fragen! Ich stehe gerne Rede und Antwort.
Unsere Zukunft gestalten. Dafür sind Projekte gemacht.
Ihr
Holger Zimmermann
Inhaber & Geschäftsführer Projektmensch