Kann ich Ihre Produkte bereits kontaktlos verwenden? Darin könnte eine große Chance liegen, denn „Kontaktlose Nutzung“ ist eine der Entwicklungen, die bereits deutlich erkennbar ist und die mit ziemlicher Sicherheit auf Dauer bleiben wird. Eine von vielen. Eine der offensichtlicheren.
Warum es derzeit besonders wichtig ist, sich mit solchen Entwicklungen auseinanderzusetzen? Weil diese Entwicklungen darüber entscheiden, ob Ihr Geschäftsmodell in Zukunft noch funktionieren wird. Aus den Entwicklungen können Sie ableiten, wo Marktchancen sind, und wo Anpassungsbedarf oder gar der Bedarf für eine komplette Neuausrichtung Ihres Produkt-Portfolios entsteht. Davon wiederum hängt der Erfolg Ihres Unternehmens ab und nicht zuletzt auch Ihr Arbeitsplatz.
Deshalb ist die Auseinandersetzung mit den Entwicklungen relevant für uns alle. Als Grundlage für neue Produkte und Leistungen, als Grundlage für Anpassungen, als Grundlage für Ihr zukünftiges Geschäftsmodell. Langfristig und kurzfristig. Vielleicht schaffen Sie es ja, eine kurzfristige, einmalige Tendenz (bspw. „Urlaub in Deutschland“) so zu spielen, dass Sie davon dauerhaft profitieren. Oder Sie erkennen früh einen Trend und sind der erste, der in einem neuen Segment Lösungen bietet.
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Was wird auf Dauer bleiben? Welche bleibenden Veränderungen zeichnen sich bereits ab?
Wir haben bei Projektmensch Zeit investiert und herausdestilliert, welche Entwicklungen sich bereits deutlich abzeichnen. Diese Corona-Trends helfen, Marktchancen und damit neue Einnahmequellen zu identifizieren. Hier eine Auswahl aus unserer Zusammenstellung „Märkte 2020 bis 2030“:
- Kontaktlos: Überall, wo Dinge kontaktlos erledigt werden können, werden diese Nutzungsformen bevorzugt. Wir erleben das im Alltag, etwa wenn der Leergut-Automat den Bon automatisch druckt oder wir an der Kasse aufgefordert werden, doch bitte bargeldlos zu bezahlen. Wie steht es da etwa um die Bedienung von Maschinen? Muss die Steuerung überhaupt noch an der Maschine sein oder könnte ich das über mein persönliches Tablet erledigen?
- Hygiene (I.): Insgesamt haben Hygienestandards eine neue Dimension angenommen. In vielen Bereichen gilt es nun Provisorien durch dauerhafte Lösungen zu ersetzen, was unter anderem Auswirkungen auf die zukünftige Gestaltung von Arbeitsplätzen haben wird. Sind Sie Möbelhersteller? Dann könnte das spannend werden. Aber nicht nur für sie. Vielleicht hat das auch mit Employer Branding zu tun: Können Sie mir einen sicheren Arbeitsplatz bieten? Selbst wenn der Virus bezwungen sein sollte, haben sich Verhaltensweisen in unserem Kopf verankert, in unserem kollektiven Bewusstsein. Und Wahrnehmung prägt oft mehr, als es die Tatsachen tun.
- Hygiene (II.): Im Privaten spielt Hygiene ebenfalls eine größere Rolle. Das fängt beim Händewaschen an und geht bei der gemeinsamen Benutzung von Geschirr mit Gästen weiter. Wer einfallsreiche Lösungen bietet, darf mindestens solange mit zusätzlichem Absatz rechnen, solange die Erinnerung noch in unseren Köpfen ist. Wobei sowohl mobile wie auch stationäre Lösungen von Interesse sind.
- Resilienz in Unternehmen: Ein neuer Mega-Trend? Wir haben erkannt, wie fragil und verletzlich unsere Lieferketten sind. In Zukunft werden wir Effizienz gegenüber Resilienz abwägen. Resilienz gilt dabei als Überbegriff dafür, wie gut wir mit Störungen von außen umgehen können, ohne dass diese uns schaden. Das bedeutet unter anderem, dass Lagerflächen benötigt werden, wir als Zweitlieferant doch wieder eine Chance bekommen, regionale Nähe ein Wettbewerbsvorteil sein kann. Vielleicht müssen auch Lean-Berater umschulen?
- Resilienz in der Gesellschaft: Der Staat wird darauf drängen, wichtige wirtschaftliche Güter wieder im eigenen Zugriffsbereich zu produzieren. Eine klare Aufgabe für die EU. Im Fokus sind dann unter anderem Medizin und andere im „Ernstfall“ notwendige Produkte. Mindestens die Pharmabranche darf mit Umbauarbeiten rechnen, vielleicht auch die Apotheker. Brauchen wir darüber hinaus eine Stelle für Know-how-Aufbau und -Transfer innerhalb Europas?
- Resilienz bei Menschen: Gesundheit wird anders gedacht werden. Wie viel Sicherheit wollen wir einbauen in unser Gesundheitssystem? Darüber hinaus ist die aktuelle Lage eine Belastung für uns alle. Wir brauchen Mechanismen, um auch mal Pause zu machen und aus der Dauerbeschallung rauszukommen. Das wiederum hat auch was mit Resilienz in Unternehmen und in der Gesellschaft zu tun.
- Automatisierung und flexible, modulare Fabriken: Der Trend zur Resilienz geht einher mit der Absicherung von Lieferketten. Das können Fabriken leisten, die dort sind, wo die Produkte weiterverarbeitet werden. In Hochlohnländern geht das wirtschaftlich nur, wo ein hoher Automatisierungsgrad besteht. Entsprechend gehen wir davon aus, dass die Nachfrage nach Automatisierung steigt und es viele Projekte zur Produktionsverlagerung geben wird. In Verbindung mit dem Aufbau von 2-Lieferanten- und 2-Produktionsstätten-Strategien. Wer dann noch eine flexible, modulare Fabrik liefern kann, die ruckzuck andere Teile produzieren kann, hat die Nase vorne.
- Suche nach neuen Einnahmequellen: Ein Aspekt, der sicherlich sehr subjektiv ist, da wir uns damit täglich beschäftigen. Dieser Schritt ist aus unserer Sicht nur logisch. Die Bedarfe haben sich geändert und werden sich noch weiter ändern. Einnahmequellen brechen weg, weshalb Unternehmen neue Einnahmequellen brauchen. Also wird sich ein Teil der Unternehmen aufmachen, um neue Einnahmequellen zu entwickeln. Das Know-how dazu ist selten. Eine Chance für alle, die sich damit auskennen. Noch erleben wir „Warten auf den automatischen Aufschwung“. Mit dem rechnen wir jedoch nicht. Je mehr Unternehmen sich früh darum kümmern, desto besser kommen wir als Gesellschaft im Ganzen souverän durch die Krise.
- Sehnsucht nach Begegnung: Der eigene Garten, so wir einen haben, hat an Wert und Bedeutung gewonnen. Wie auch ein eventuell vorhandener Balkon. Brauchen wir nun neue Möbel, um uns dort mit Abstand mit Freunden zu treffen? Was bedeutet das für die Möblierung des öffentlichen Raums? Und was ersetzt die Begegnung mit Tausenden bei Großveranstaltungen? Um nur drei Beispiele von vielen zu nennen.
- Digitales Reisen: Wenn der Garten schützt und die Welt gefährlich ist, werden wir uns die Erlebnisse nach Hause holen? Netflix & Co. sind Vorboten, die Berliner Philharmoniker mit ihrer Online-Konzerthalle gut vorbereitet. Wenn Sie Inhaber einer Brauerei sind, liefern Sie das Bierfass schon zum Fußballspiel nach Hause, samt der Bratwurst?
- Camping und mehr Nähe zur Natur: Versuchen Sie aktuell mal ein Wohnmobil zu kaufen. Zelte scheint es noch zu geben. Deutschland, raus, Natur. „Das genügt uns!“ könnte das Motto dahinter sein. In den Reihen der Zuhörer des Video-Podcast, den unsere Freunde von CastX (www.castx.de/podcast) mit uns herausgeben, ist die Idee zu Pop-Up-Camps entstanden: Festivalwiesen werden Campingplätze. Ein schönes Beispiel dafür, wie auf Basis systematischer Überlegungen und bewährter Instrumente wie der Ansoff-Matrix neue Geschäftsmodelle entstehen.
- Ad hoc Kooperation können: Die Fähigkeit, kooperieren zu können, nimmt an Bedeutung zu, wird zur Schlüsselkompetenz. Wer kooperieren kann, Kooperationen bauen und lenken, am besten ad hoc, kann schneller neue Leistungen aufbauen, neue Produkte in den Markt einführen, schneller Innovation schaffen. Außerdem ist der, der ad hoc eine Kooperation organisieren kann, besser aufgestellt in Sachen Resilienz. Das verändert die Sicht auf das, was ein Projektleiter können muss, nochmals deutlich, und steigert den Bedarf an Personen, die das können. Ein wichtiger Trend für die Personalentwicklung: Fähigkeiten wie „gute Gespräche führen“, „ein Team hinter einem Ziel versammeln“ oder „ein Projekt strukturieren können“ wandern nach oben in der Prioritätenliste.
- Zusammenarbeit in verteilten Teams: Das Homeoffice ist nur eine Facette dieser Entwicklung. Wie führe ich Teams, die sich noch nie gesehen haben? Wie organisiere ich ein Team, das keinen Kontakt hat? Wir haben alle erlebt, was machbar ist. Das bringt Lebensqualität, etwa weil wir uns weniger an Flughäfen aufhalten müssen. Unternehmen wollen diese positiven Effekte auf Dauer sichern. Das erfordert neue Kompetenzen, in Sachen Kooperation, wie erwähnt, jedoch auch bei Führungskräften, die nun anders führen müssen. Vertrauen Sie schon? Das sind Themen für die Personalentwicklung. Dazu noch ist es eine Chance für Menschen, die nicht zur Arbeit können, etwa weil sie Angehörige pflegen oder sich um die Kinder kümmern. Und damit eine Chance, um den Fachkräftemangel zu lindern, den es trotz aller Schwierigkeiten immer noch gibt.
- Apropos Weiterbildung (I.): Die wird in Zukunft digitaler und flexibler. Auf Dauer ist das 2-Tage-im-Block-Einzelseminar eine Randerscheinung. Wir haben das bei uns als „eTraining on The Job“ betitelt, was aus unserer Sicht die Zukunft ist: praxisbegleitend, direkt anwendbar, sofort starten, in Kombination von elektronischen und menschlichen Bausteinen, in den Alltag integriert anstatt als separate Seminar-Blöcke. Integriertes Lernen im wahrsten Sinne der Worte.
- Apropos Weiterbildung (II.): Was ist dieses „Digital“ überhaupt? Diese Frage wird im Weiterbildungsmarkt eine größere Bedeutung einnehmen. Bis hin zu Programmierkursen für Betriebswirte, die verstehen müssen, wie die Maschinen ticken.
- Apropos Weiterbildung (III.): Hinzu kommt der Bedarf an Menschen, die sich mit neuen Geschäftsmodellen und Markteinführungen auskennen. Gefragt sind Weiterbildungsprogramme dafür, die deutlich kürzer sind, als ein BWL-Studium. Auch für Ingenieure.
- Bildung in der Schule: Der Durchbruch zu neuen Lernmodellen und didaktisch sinnvollem Einsatz von digitaler Technik war nie näher. Allerdings sind die Beharrungskräfte immer noch sehr groß. Aus unserer Sicht kommt es darauf an, inwieweit es innovative Akteure schaffen, ihre Ideen für den Unterricht der Zukunft bekannt zu machen. Davon hängt ab, ob der Durchbruch gelingt. Der ist dann keine Frage von Technik, sondern vielmehr eine von Unterrichtsformen und -orten. Warum müssen Schüler immer in die Schule fahren, wenn das Wissen auch zu ihnen kommen kann? Und wann ist Fahrt dennoch sinnvoll?
- Weniger Bürotürme: Bleibt die Frage, was wir mit all der freien Fläche in den Bürotürmen machen? Urban Gardening? Die Technologie, Nutzpflanzen in Gebäuden zu ziehen, ist bereits vorhanden. Wenn wir unterstellen, dass lediglich fünf bis zehn Prozent der bisherigen Im-Büro-Arbeiter zukünftig größtenteils zuhause arbeiten werden, sind das enorme Zahlen. Mit zwölf bis 15 Quadratmetern pro Mitarbeiter rechnet man im Großraumbüro üblicherweise. Für die Bauwirtschaft bedeutet das dann wohl „Umbau statt Neubau“.
- Wohnen auf dem Land anstatt in der Stadt: Die Qualitäten des Landlebens wurden wiederentdeckt. In Kombination mit der Möglichkeit, „remote“ zu arbeiten, steigert das die Anziehungskraft ländlicher Regionen. Auswirkungen hat das auf Wohnraum auf dem Land und in der Stadt, auf die Nutzerzahlen von U-Bahnen, auf Kindergartenplätze, auf Staus und vieles mehr.
- Wohnbüro: Ob damit wohnen und Büro weiter zusammenrücken? Es sieht danach aus. Wir waren vor rund zehn Jahren an einem Projekt des „Solar Decathlon“ mit der Hochschule Rosenheim beteiligt, bei dem ein Plus-Energie-Haus entstanden ist. Daran erinnern wir uns gerade und wissen, dass wir unsere Möglichkeiten in Sachen Wohnbüro noch lange nicht ausgeschöpft haben.
- Fahrrad als Fortbewegung auch auf dem Land: Als die Menschen zuhause waren, haben sie ihre Fahrräder wiederentdeckt und wie schön es ist, zu radeln. Und wie umweltfreundlich. Und gar nicht so schlimm. Wenn Homeoffice in Teilen zunimmt, wird auch die Nutzung des Fahrrads zunehmen, womit Einpersonen-Autofahrten ersetzt werden. Fahrradhändler melden Rekordumsätze. Trotz aller Euphorie rechnen wir auch damit, dass Gebrauchtbörsen im Herbst mit einem großen Angebot aufwarten werden.
- Landwirte als Stätten der Nahversorgung: Wobei die Fahrt mit dem Fahrrad bequem zum Landwirt um die Ecke führt, der als Ort für die Nahversorgung damit mehr ins Zentrum rückt. Landwirte wären dusselig, wenn sie nicht untereinander kooperieren und ihr Angebot ausbauen würden. Entsprechende Technologie in Form von Automaten ist vorhanden. Wir rechnen mit zumindest leichtem Zulauf bei diesen Anbietern.
- Zeit der Generalisten: Unternehmen merken wie wichtig Generalisten sind, wenn es darum geht, neue Situationen zu bewältigen, Neuland zu betreten. Gerade wo es digital wird, genügt der Blick auf die Technik nicht. Das wird derzeit deutlich. Generalisten helfen, die Dinge einzuordnen und ein großes Ganzes daraus werden zu lassen. Und sie tun sich nebenbei leichter, Kooperationen zu schmieden, da sie nicht ausschließlich einer Fachdisziplin verpflichtet sind.
Wahnsinn, oder? Wir haben noch mehr auf dem Zettel, so vielschichtig sind die Änderungen. Dabei haben wir nur die gesammelt, bei denen wir davon ausgehen, dass sie auf Dauer relevant sein werden. Allgemeine Kategorien wie „Digitalisierung“, „Blaue Ökonomie“ und „Grüne Energie“ haben wir dabei ausgespart, da so viel an anderer Stelle darüber geschrieben wird. Dass Online den Einzelhandel nachhaltig verändern wird, ist offensichtlich. Das könnte der Genossenschaftsbewegung Auftrieb geben, wenn sich Händler regional verbünden, um online zu punkten.
Es ist wirklich Wahnsinn, „ver-rückt“ im ursprünglichen Wortsinne. Wo soll man anfangen? Was wird uns betreffen? Was wird uns helfen? Wer mit diesen Themen arbeiten will, muss früh Prioritäten setzen, sonst droht blinder Aktionismus.
Ob wir richtig liegen? Ehrlich: wir wissen das nicht. Das weiß niemand. Wir haben uns die Zeit genommen, zu beobachten und zu studieren. Das werden wir weiter tun. Diese Liste spiegelt das wieder, was wir bis heute an Schlüssen daraus gezogen haben. Morgen werden wir klüger sein. Manche Entwicklungen sind sehr deutlich, etwa wenn es um Hygiene und Resilienz geht, andere weniger, etwa wenn es um den Landwirt als Ort der Nahversorgung geht.
Trotz aller Unsicherheit arbeiten wir mit diesen Trends. Wir nutzen sie, um daraus abzuleiten, was neue Geschäftsmodelle und Einnahmequellen sein könnten. Wie wir uns aufstellen müssen, um auf Dauer bestehen zu können. „Was wäre, wenn XY tatsächlich zutreffen würde?“ ist dafür eine hilfreiche Ausgangsfrage.
Sie können das Prinzip der „Disruption“ nutzen, um aus Trends systematisch Marktchancen und neue Geschäftsfelder zu entwickeln, oder die bereits erwähnte Ansoff-Matrix. Gerade die Vier-Felder-Matrix von Ansoff ist ein wirklich mächtiges und gleichzeitig pragmatisches Werkzeug, um neues Geschäft zu entwickeln.
Ein kleines Video dazu haben wir hier bereitgestellt. Oder Sie lesen in „Unternehmenskrisen meistern“ mehr dazu.
Um mit einem aktuellen Zitat des Trend- und Zukunftsforschers Matthias Horx zu schließen: „Zukunft ist eine Entscheidung.“ Dem schließe ich mich gerne an. Bei aller Unsicherheit, auch wenn ich die Dinge nicht „unter Kontrolle“ habe, ist Zukunft für mich eine Gestaltungsaufgabe
Mit Projekten ist mehr möglich, als man ahnt.
Ihr Holger Zimmermann
Inhaber & Geschäftsführer Projektmensch