Neuer ‚Normalfall‘: Unternehmensorganisation für Projekte

Für Projekte wird es oft eng. Gerade dort wo die Prinzipien der Automobilindustrie die Kultur definieren. / Foto: Holger Zimmermann

Wissen Sie, was Frederick Winslow Taylor und Henry Ford mit Projekten zu tun haben? Sie ahnen die Antwort vermutlich: nichts. Allerdings sind unsere Organisationen (die meisten, nehme ich an) nach deren Ideen und Prinzipien aufgebaut. Was so manchen Projektleiter wahnsinnig machen dürfte. Wie müssten Organisationen aufgebaut sein, damit Projekte besser gelingen? Vielleicht ist dieser Artikel ein weiterer Nachtrag zur Blogparade „Beyond Project Management„, zu der Marcus Raitner aufgerufen hat. Weil es heute in unseren Organisationen noch nicht passt.

In unserem Basisseminar bietet eine erschreckende Zahl den Ausgangspunkt für Diskussionen um Projektmanagement: „87% der Projekte vernichten Werte.“ Eine Studie aus dem Jahr 2005 hat diesen Wert genannt. Im Jahr 2013 hat Harvard Business ähnlich erschreckende Erkenntnisse geliefert und von 83% nicht erfolgreicher Vorhaben berichtet. Immerhin, die beste Studie, von der ich weiß, spricht von 53% nicht erfolgreicher Vorhaben. Die Quelle hierzu muss ich nochmals recherchieren.

Was führt (heute) dazu, dass sich Projekte so schwer tun?

Eine mögliche Antwort auf diese Frage kommt mir in den bisherigen Diskussionen zu kurz: Unsere Organisationsprinzipien haben wesentlichen Anteil an der Projekt-Misere. Wir denken in Abteilungen, was dem Projektgedanken widerspricht. Wir wollen Arbeit effizient erledigen, was bei Wiederholungen funktioniert, jedoch bei einmaliger Durchführung einen Magier erfordert. Oder wenigstens hellseherische Fähigkeiten. Wo Arbeitsteilung versucht wird, auf Basis für Routineprozesse vergebener „Zuständigkeiten“, werden sich Projekte vermutlich immer schwer tun. Sie kommen regelrecht quer daher, stellen zusätzliche Arbeitslast dar, bringen Unsicherheit aufgrund der unbekannten Aufgaben mit sich und haben darüber hinaus quasi einen zweiten Chef im Schlepptau. Dass in solch einem Fall nur seltene Exemplare der Gattung „Mitarbeiter“ ein lautes „Hurra“ von sich geben werden, darf als verständlich betrachtet werden.

So wie wir unsere Unternehmen in Aufbau- und Ablauforganisation gestaltet haben, sind Projekte Störungen des Friedens. Entsprechend springt der Abwehrmechanismus der Organisation an und will diese Fremdkörper wieder loswerden. Je strenger das Diktat von Effizienz und niedrigen Kosten geführt wird, desto stärker fällt die Reaktion aus. Selbst die besten Projektleiter, die gewieftesten methodischen Kniffe, die eingeschweistesten Teams werde sich in solch einem Umfeld schwer tun, gute Ergebnisse zu liefern.

Die Störung „Projekt“ muss der Normalfall werden

Will man also, dass sich Projekte leichter tun, muss die Logik gedreht werden. Was heute eine Störung ist, muss normal werden. Die Organisation muss also auf Projekte und Projektteams ausgerichtet werden, damit diese gelingen. Abteilungen werden abgeschafft, stattdessen gibt es Pools von Menschen mit einem bestimmten Know-how, die von Projektleitern für deren Projekte angeheuert werden. Die Projektleiter melden dazu den Kapazitätsbedarf und der Vorgesetzte der Experten stellt sicher, dass diese Arbeitsleistung im entsprechenden Zeitraum vom Experten auch erbracht werden kann. Gibt er den Experten frei für ein Projekt, übernimmt der Projektleiter das Führen dieser Person. Gegebenenfalls teilt er sich diese Führungsrolle mit anderen Projektleitern, die ebenfalls auf diese Person zugreifen. Der Vorgesetzte des Expertenpools sorgt vor oder nach Projekteinsätzen dafür, dass der Experte weitergebildet wird und so ein Know-how erhalten kann.

Damit ist der Weg frei für die Arbeit in Projekten. Personalabteilungen werden in diesem Zusammenspiel zu Beschaffern von Experten, die für ein bestimmte Zeit für ein bestimmtes Projekt engagiert werden. Entsprechend müssen sämtliche Projektmanagement-Methoden auch funktionieren, wenn Projektteams nur aus Menschen bestehen, die den methodischen Ansatz nicht kennen. Schließlich sollen externe Experten möglichst schnell produktiv am Projekt mitarbeiten können, ohne lange geschult werden zu müssen. (Das bringt höhere Anforderungen an das Projektmanagement mit sich, als sich viele Unternehmen heute bereits eingestehen. Aber dazu vielleicht an anderer Stelle mehr.)

Produktion auf den Barrikaden

Spätestens an dieser Stelle des Textes werden all die auf die Barrikaden gehen, die in der Produktion tätig sind. Eine Serienproduktion auf Projektbasis? Wie oben beschrieben? „Undenkbar!“ werden all die antworten, die sich mit diesen Bereichen auskennen. Dem kann man nur zustimmen. Also braucht es in der Produktion, wenigstens dort, weiterhin Routineprozesse. Alles andere wäre furchtbar ineffizient und damit unverantwortlich. Zumindest für all die Unternehmen, die Serienprodukte herstellen und auf Stückzahlen kommen wollen. Wo ausschließlich Prototypen produziert werden, mag das anders sein.

Bisher ist die Serienfertigung allerdings das allgemein gültige Prinzip, nach dem Unternehmen organisiert werden. Bisher müssen die, die Projekte machen, für ihre Sicht der Dinge kämpfen. Weshalb es lohnenswert sein kann, die Logik einmal umzudrehen und das Unternehmen als reines Projekt-Unternehmen zu denken. Jetzt müssen die, die lieber in Routine arbeiten wollen, Argumente dafür finden. Damit sticht deutlich(er) hervor, wo das Prinzip Arbeitsteilung und Effizienzdenken Sinn machen – und wo eben weniger.

Aus heutiger Sicht werden aus solchen Überlegungen Unternehmen hervor gehen, die ihre Tätigkeitsbereiche in Serienarbeit und Projektarbeit aufteilen. In einem Unternehmensbereich sind dann Routinen an der Tagesordnung, Kostensenkung im Fokus und die Controller ein wichtiges Instrument. Im anderen Unternehmensteil spielen sich Projekt-Portfolio-Manager, Projektleiter und Experten aus Expertenpools die Bälle zu, so dass Projekte besser gelingen. Dazwischen muss es Regeln und Menschen geben, die für Brücken sorgen. Sowohl was die Karrieren betrifft, wo je nach Lebenssituation und -station zwischen Serie und Projekt gewechselt werden wird, wie auch für die Inhalte der Arbeit. Diese werden sich systematischer von der einen Welt in die andere bewegen. Mal wird aus einem Pilotvorhaben ein Routineprozess, mal wird aus einem Routineprozess ein Projekt, etwa um das Geschäftsmodell neuen
Gegebenheiten anzupassen.

Die umgedrehte Logik lohnt sich zu diskutieren. Projekt vor Serie als der Normalfall. Falls Sie wollen, diskutiere ich gerne mit. Ich finde das spannend. Rückmeldungen sind ausdrücklich erwünscht: gerne hier als Kommentar oder per Mail an dialog@projektmensch.com.

In Text und Bild gedacht hat
Ihr
Holger Zimmermann
Projektmensch.

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Ein Kommentar bei „Neuer ‚Normalfall‘: Unternehmensorganisation für Projekte“

  1. So, jetzt komme ich endlich dazu, zu antworten! 🙂

    „Dass in solch einem Fall nur seltene Exemplare der Gattung „Mitarbeiter“ ein lautes „Hurra“ von sich geben werden, darf als verständlich betrachtet werden.“

    Da musste ich schmunzeln. Was anscheinend viele nicht verstehen: Übernimmt ein Mitarbeiter zusätzliche Last, z.B. in Form eines Projekts, müssen diese auch irgendwie entlastet werden. Ansonsten fehlen Zeit und mentale Kapazität (die gerade bei Projekten unterschätzt werden).

    Ich finde den Ansatz, die Unternehmensorganisation auf eine Projektdenkweise umzustellen, sehr interessant und die im Artikel vorgeschlagenen Strukturen spannend.

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