Der Mittelstand verschläft das Web

Gute Erfindung: elektrisches Licht. Klappt nie!

Bald habe ich die 500 Artikel voll, Artikel in meiner wöchentlichen Kolumne in der Südwest Presse über lokale Webauftritte. Schon fast eine repräsentative Studie über das, was im Web möglich ist und das, was davon genutzt wird. Das Studium von Webseiten steht mindestens wöchentlich auf meinem Plan. Eins kann ich da mehr als deutlich sagen: mindestens der traditionelle Mittelstand verschläft das Web voll und ganz. Webaufritte sind immer noch wie ein Flugblatt gestaltet, der Dialog wird selten genutzt. Auch aus der Innensicht ist nichts anderes erkennbar; wenn ich im Rahmen meiner Projekte in den Firmen bin, erlebe ich maximal, dass das Web und Social Media in der Marketing-Abteilung stattfinden (einzelne Ausnahmen ausgenommen). Diese Themen gehören aber dorthin, wo neue Geschäftsmodelle und Strategien entwickelt werden. Es handelt sich nicht nur um einen neuen Werbekanal!

Herstellung, Prozesse, Kommunikation und Rollen verschmelzen

Eigentlich darf man gar nicht mehr vom „Internetauftritt“ sprechen, denn den Webauftritt gibt es nicht mehr. Die eigene Website ist nur ein Teil einer ganzen Webpräsenz, die aus verschiedenen Profilen und Angeboten im Netz besteht. Jedes Teil davon kann für unterschiedlichste Zwecke genutzt werden – gleichzeitig. Ein und dasselbe System kann Vertriebsfunktion haben und ebenso Kundenforum samt Entwicklungsplattform sein. Dabei sind auch die Rollen oft mehrfach besetzt: eigentlich nur intern agierende Mitarbeiter werden plötzlich außen wahrgenommen und zum Unternehmen in Beziehung gesetzt, werden zur „Werbung“ oder eben auch nicht. Vielleicht sogar angesprochen auf aktuelle Entwicklungen, ohne dass die PR-Abteilung davon weiß. Kunden können Nachfrager und Werbende zugleich sein, wenn sie etwa in einem Blog über Produkte und Leistungen berichten. Das kann positive wie negative Folgen haben (siehe das Beispiel T-Mobile).

Wer nur Journalisten als Multiplikatoren versteht, hat das System noch nicht verinnerlicht. Ganz abgesehen von der Geschwindigkeit, in der die Dinge passieren können. Dass Blogger Macht haben, wurde bereits mehrfach bewiesen. Kontrollierbar ist das Ganze schon lange nicht mehr.

In seiner Gesamtheit wirkt das Web auch auf Prozesse im Unternehmen, nicht nur auf wie und wann nach außen kommuniziert wird und von wem. Freigaben sind da manchmal nicht mehr machbar, denn bis die gemacht sind, hat sich ein Blogbeitrag längst selbst überholt. Weit größere Möglichkeiten gibt es für die Zusammenarbeit über Standorte und Grenzen hinweg sowie die Leistungserbringung.

Geschäftsmodelle entwickeln

In dieser Konstellation liegen unglaublich viele Chancen, denn die Märkte sind in Bewegung. Das ist immer eine gute Situation, um dem Wettbewerber ein Schnippchen zu schlagen. Vor allem, wenn der Wettbewerber schläft. Der Ansatz muss allerdings einer sein, der die Sache bis zum Ende denkt, bis zur Leistungserbringung beim Kunden, bis in den Markt hinein. Denn wenn nur die Kommunikation nach außen genutzt wird und plötzlich jemand kaufen will, aber nicht kann, dann ist das vertane Liebesmüh. Nicht alle Dinge muss man dazu selbst entwickeln, denn viele Leistungen gibt es inzwischen fertig zu kaufen, etwa wenn man digitale Inhalte verkaufen oder logistische Leistungen nutzen will. Die Schnittstelle? Das Web, selbstverständlich. Nutzt man derartige Leistungen, kann man auch die so wichtige „Time-to-Market“ reduzieren, denn man muss nicht erst etwas Neues aufbauen, man baut vielmehr aus Bausteinen zusammen. Damit ist auch das Risiko des Scheiterns geringer, sowohl in dessen Wahrscheinlichkeit (bestehende Komponenten haben weniger Kinderkrankheiten) als auch in dessen Folgen (allein schon der Investitionsbedarf ist niedriger).

Grundlage für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle ist es, Verständnis für die Zusammenhänge und Funktionsweisen zu entwickeln. Es sollte wohl überlegt werden, ob damit die bisher Werbenden beauftragt werden sollten, könnten die doch in einer alten Welt gefangen sein – zumindest in deren Sichtweisen. Gerade die sind es jedoch derzeit, die einen Schritt nach vorne verhindern könnten. Als Projektstrategie empfehle ich einen eher spielerischen, systematisch kreativen Einstieg in ein solches Vorhaben. Viel Erfolg!

Ihr
Holger Zimmermann
Projektmensch.

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Ein Kommentar bei „Der Mittelstand verschläft das Web“

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