Wer Segeln Aufsicht von Olaf Hinz lesen will, der sollte sich auf ein hohes Tempo einstellen. Hat man Vorwort, Inhaltsverzeichnis und dann bis Seite 3 gelesen, hat man so viel zum Nachdenken, dass man das Buch bereits wieder auf die Seite legen und die Gedanken fliegen lassen will. Man hat bis dahin schon ziemlich viel darüber verstanden, welche Bedeutung Komplexität für Führung haben kann.
Als die „sieben Einfallstore der Komplexitätsreduktion“ beschreibt er wesentliche Effekte, die Unternehmen im Moment deutlich zu spüren bekommen. Hinz geht es um den Unterschied zwischen kompliziert und komplex, der auch den Unterschied darüber macht, wie geführt werden kann und muss. Dazu hat Hinz eine klare Meinung, die er mit ebenso klaren Handlungsempfehlungen unterlegt. Als angenehm empfinde ich dabei, dass er wenig wertet und so vermeidet, das eine in die negative und das andere die positive Schublade zu stecken. Das erleichtert es ungemein, die Ratschläge anzunehmen.
Wie derzeit viele Kollegen, die sich mit Organisationsthemen beschäftigen, tut sich auch Hinz sich schwer mit den Begrifflichkeiten, obwohl er sprachlich sehr präzise arbeitet: so geht es etwa in einem der Kapitel um „Strategie“. Mir schwant schon, welche Vorstellungen dieses Wort bei Teilen der Zielgruppe hervorruft, denen das Buch einen Impuls liefern will. Sie stellen sich unendlich lange und breite Excel-Tabellen vor, während, so meine Interpretation dessen was Hinz schreibt, so gar nicht zu und in Excel-Tabellen passt. Wir haben allesamt das Problem, dass uns noch die Worte dafür fehlen, wie wir bereits handeln. Wie uns auch die neuen Worte dafür fehlen, wie wir bereits bekannte Instrumente in einem neuen Kontext und mit einer anderen Haltung anwenden. Da kommen im Buch die Visualisierungen von Visual Braindump meist im rechten Moment, um im Bild zu bleiben, wozu die Worte nicht genügen.
„Segeln auf Sicht“ bietet einen guten Rundum-Blick zum Stand der Dinge in Sachen Führung in einem komplexen Umfeld. Das Verdienst von Hinz ist es dabei, die Brücke zwischen verschiedenen Gedankenmodelle zu bauen und frei von Ideologie zu argumentieren. Wie etwa, wenn es um Planung geht und den Umgang mit Planzahlen: die Haltung gegenüber dem Plan und die damit verbundene Klarheit im Umgang mit Änderungen und Abweichungen, „das ist heilig, nicht die Planzahlen selbst“. (Wie er mir damit aus der Seele spricht!) Gleichzeitig sind es die immer wieder eingeflochtenen, praktischen Hinweise, mit denen sich das Werk den Untertitel „Führungshandbuch für ungewisse Zeiten“ redlich verdient.
„Mitarbeiter sind keine Kinder und Führungskräfte keine Eltern …“ Recht hat er, der Hinz. „… das ist der Kern der Führung auf Aufenhöhe im VUCA-Wetter!“ Wobei „Führungshandbuch“ fast zu wenig sagt, denn dem „Warum?“ widmet Hinz viel Raum. Das tut gut und liefert dem „Wie?“ den nötigen Rahmen.
Lieber Olaf: Well done! Eine Empfehlung für alle, die sich mit agil, komplex, Unsicherheit und Führung befassen wollen.
Ihr
Holger Zimmermann
Projektmensch
Segeln auf Sicht: Das Führungshandbuch für unsichere Zeiten
Olaf Hinz
Springer Gabler 2017
Gebundene Ausgabe: 24,99 Euro
Kindle eBook: 19,99 Euro
Olaf Hinz hat mir das Buch kostenfrei zur Rezension zur Verfügung gestellt.