Was muss „die Projektleitung“ leisten? Kreativität als dritte Dimension im Projektmanagement.

Kreativität, die dritte Dimension im Projektmanagement, schafft neue Lösungen

Zu Projektbeginn stellt sich für einen Projektleiter immer wieder dieselbe Frage: was sind die speziellen Anforderungen dieses Projekts? Ich spreche nicht von den Anforderungen an das Projektergebnis, vielmehr von den Anforderungen an „die Projektleitung“. Was muss diese Person oder dieser Personenkreis leisten? Worauf sollte er sich konzentrieren? Welche Instrumente des Projektmanagement anwenden? Wie könnte die Projektstrategie aussehen? Der Kanon der Projektmanagement-Werkzeuge bietet unglaublich viele Möglichkeiten, doch zeigt nicht, welche in welcher Situation die beste Wirkung auf das Projekt haben.

Ein erfahrener Projektleiter wird die Frage nach der Wahl der Waffen intuitiv begreifen und ebenso zielsicher Antworten liefern. Allerdings ist der Fokus in der Projektwelt (immer noch) stark auf die planerische und organisatorische Seite des Projektmanagement ausgerichtet. Projektmanagement wird nicht selten als eine mechanische Arbeit verstanden. Dazu noch kommt die Tatsache, dass die Anzahl der wirklich erfahrenen Projektleiter im Verhältnis zur Anzahl der laufenden Projekte in Unternehmen derzeit eher als „unterbesetzt“ zu werten ist.

Anforderungen an die Zusammenarbeit als zweite Dimension

In den vergangenen Jahren kam zu dieser Sichtweise nach und nach eine zweite Anforderungsdimension hinzu: die zwischenmenschliche Gestaltung der Zusammenarbeit von Projektteams hat inzwischen Einzug in die Fachliteratur gefunden. Jedoch ist dieses Wissen bisher nur bedingt in der praktischen Anwendung angekommen. Genau in dieser Disziplin scheitern viele Projekte oder tun sich zumindest unnötig schwer. Wenn es nicht gelingt, die Menschen zu einer produktiven Zusammenarbeit zu bringen, hilft jedes technische Genie wenig bis gar nicht, die Projektziele zu erreichen. Nicht selten schaffen es Projektteams nicht über die Gärungsphase hinaus und bleiben somit im „Storming“ und „Norming“ (vgl. Gruppenphasen nach Tuckman in Wikipedia) stecken, schlafen ein.

Nicht die Technologie oder das Budget sind oft die kritischen Faktoren, vielmehr wird das Vorankommen oft dadurch gebremst, dass es nicht gelungen ist, Menschen zu einer produktiven Zusammenarbeit zu bringen.

Mit diesen beiden Anforderungsdimensionen wird eine Vielzahl von Projekten abgedeckt. Etwa im Hausbau oder auch in Maschinenbau-Projekten, bei denen auf vorhandenes Wissen zurückgegriffen wird und es nicht darum geht, einen Prototypen zu fertigen. Wer seine Arbeit gut organisiert, die Anforderungen im Griff hat und die Verantwortlichkeiten klar absteckt, hat bereits einen großen Teil der Miete erwirtschaftet.

Projektmanagement braucht eine dritte Dimension: die kreative Leistung.

Projekte allerdings, die auf der grünen Wiese wirklich Neues entstehen lassen sollen, müssen einen dritten Aspekt bedienen: die kreative Leistung als Anforderung an ein Projektteam. Dieser Bereich findet in der Welt des Projektmanagement derzeit keine bis nur sehr wenig Beachtung. Wobei ich nicht von einfachen Kreativitätstechniken wie Brainstorming & Co. rede, es geht mir darum, wirklich etwas Neues und Einzigartiges zu schaffen. Um kreative Leistungen, wie sie etwa Mihaly Csikszentmihalyi in seinem Standardwerk „Kreativität“ beschreibt. Diese können im technischen Bereich liegen oder ein völlig neues und nie da gewesenes Geschäftsmodell beinhalten. In jedem Fall muss das Projektmanagement so gestaltet werden, dass diesen Anforderungen ebenfalls Rechnung getragen wird.

Kreative Leistung und die Anforderungen an Organisation widersprechen sich nicht selten

Mit dieser Forderung einher geht die Tatsache, dass sich die Anforderungen an Kreativität mit den Anforderungen an Planung und Organisation widersprechen. Wo für kreative Leistungen vielleicht Freiraum nötig ist, erfordert die planerische Sicht auf ein Projekt eine eindeutige Arbeitsteilung. All das steht dazu noch in direktem Zusammenhang mit den Anforderungen an die Zusammenarbeit innerhalb und mit den Stellen außerhalb des Projektteams in Beziehung, diese also auch nicht losgelöst betrachtet werden können.

Fakt ist dabei, dass die Anzahl der Projekte mit hohem kreativem Anspruch zunehmen. Sei es, dass traditionelle Geschäftsmodelle in vielen Branchen bald überholt sein werden und neue entwickelt werden müssen, oder dass schlicht die Tendenz gilt, dass Standorte wie Deutschland sich hin zu einer Kreativwirtschaft entwickelen. Autoren wie Richard Florida mit „The Rise of the Creative Class“ oder auch brandeins-Leitartikler Wolf Lotter in „Die kreative Revolution“ beschreiben diese Entwicklung fundiert.

Eine Entwicklung, die wir (hier bei Projektmensch) in unserer Lebens- und Arbeitswirklichkeit übrigens sehr deutlich spüren. Wobei wir ebenfalls wahrnehmen, dass das Bewusstsein dafür in der Industrie erst langsam entsteht. Zu langsam, wenn ich meine persönliche Meinung dazu kund tun darf. Denn, so die Annahme, unser zukünftiger Wohlstand wird davon abhängen, ob es uns weiterhin gelingt neue, attraktive Angebote an weltweite Abnehmer zu machen, um damit unseren Lebensunterhalt zu bestreiten. Diese Aussage gilt in einer Welt, in der Vieles bereits erfunden ist.

Die kreative Leistung brauchen wir, um unseren Wohlstand zu sichern

Während wir bisher die Schaffung des Wohlstands im Fokus hatten, rücken nun mehr und mehr dessen Erhalt und Lösung der damit verbundenen Probleme wie etwa Umweltverschmutzung in den Fokus. Wo Lösungen noch nicht sichtbar sind, braucht es eben diese kreative Leistung, um Ansätze zu entwickeln. Die Arbeitsform „Projekt“ ist dabei prädestiniert, individuelle Aufgabenstellungen mit individuellen Mitteln und Teams in Angriff zu nehmen und einer Lösung zuzuführen.

Anforderungen in drei Dimensionen bewerten und Projektmanagement darauf abstimmen

Damit zurück zur Ausgangsfrage: was sind die Anforderungen an „die Projektleitung“? Jedes Projekt bringt Anforderungen in jeder dieser drei Dimensionen mit sich, in unterschiedlichsten Konstellationen. Die individuelle Ausprägung der einzelnen Dimensionen und deren Verhältnis zueinander bestimmen darüber, wie das Projektmanagement aufgestellt sein muss, um die Projektziele zu erreichen. Wir verwenden hierfür unser 3D-Projektmanagement-Modell, das im ersten Schritt hilft, eben diese Anforderungen zu identifizieren und ihr Verhältnis untereinander grafisch sichtbar zu machen. Daraus lassen sich dann in einem zweiten Schritt die Instrumente sowie die Projektstrategie ableiten, die zum Einsatz kommen sollten.

Jede Achse steht für eine Anforderungsdimension. Die Bewertung erfolgt relativ zwischen verschiedenen Projekten im Portfolio.
Jede Achse steht für eine Anforderungsdimension. Die Bewertung erfolgt relativ zwischen verschiedenen Projekten im Portfolio.

Erst einmal stehen drei Achsen im Raum für die drei unterschiedlichen Dimensionen der Anforderungen. Eine Achse für den Anspruch an Planung und Organisation, eine für die Anforderungen an die Zusammenarbeit, eine dritte für die Anforderungen an die kreative Leistung. Jede Achse kann Werte zwischen 0 und 10 enthalten. Wobei die Anzahl der Anforderungen Gradmesser für die Stärke der Anforderungen ist.

In der einfachsten Form erfolgt deren Bewertung relativ: „Projekt A bringt im Vergleich mit Projekt B lediglich 3 Anforderungspunkte auf der Z-Achse mit sich.“ In der Diskussion und Bewertung greifen wir so auf das Erfahrungswissen zurück und machen die Projekteinschätzung bewusst und eben auch erst diskutierbar. Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu vergangenen Projekten werden sichtbar, Erfolgsfaktoren können wiederholt und wiederholte Fehler vermieden werden.

Handlungsempfehlungen machen Projektmanagement-Erfahrung übertragbar

Wobei nicht nur auf das Erfahrungswissen einer einzelnen Personen, sondern auf das einer Gruppe von (zum Beispiel) Projektleitern zugegriffen werden kann. Was wiederum den Aufbau von gemeinsamem Wissen über die Projektarbeit im Unternehmen voran bringt. Diskutiert etwa eine Gruppe von Projektleitern regelmäßig über deren Einschätzung der Anforderungen der laufenden und zu startenden Projekte, steigert das die Qualität des Projektmanagement in diesen Projekten.

Dass sich daraus leicht allgemeine Handlungsempfehlungen für den Einsatz der Projektmanagement-Werkzeuge, deren Dimensionierung sowie den grundsätzlichen Aufbau der Projektarbeit je nach Anforderungen ableiten lassen, dürfte offensichtlich sein. Die Form des Dreiecks im Raum, dessen Kanten die Bewertung der Anforderungen auf den jeweiligen Achsen verbinden, weißt den Weg.

Wenn Sie mehr erfahren wollen: ich freue mich auf die Diskussion mit Ihnen! Schreiben Sie mir: dialog@projektmensch.com.

Ihr
Holger Zimmermann
Projektmensch

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2 Kommentare bei „Was muss „die Projektleitung“ leisten? Kreativität als dritte Dimension im Projektmanagement.“

  1. […] „Reise des Verstehens“ spricht mich an und ich bin dankbar: Projekte sind per se dazu da, etwas Neues zu schaffen. „Jawoll!“, denkt es und: […]

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