Projektmanagement-Canvas

Der Projektmanagement-Canvas erleichtert den Einstieg ins Projekt.

Die grundlegenden Schritte beim Projektstart sind sich von Projekt zu Projekt sehr ähnlich. Allerdings erfordern die dafür verwendeten Instrumente und Vorlagen oft eine lineare Abfolge von Schritten. Die entspricht aber ganz und gar nicht dem, wie die meisten Projektgruppen diskutieren. Deshalb treibt mich schon lange die Frage, wie diese scheinbare Linearität aufgebrochen werden kann. Etwa wie bei der Moderationsmethode Dynamic Facilitation(1), die ebenfalls nicht-linear zu hervorragenden Ergebnissen führt. Idealerweise geht das einher mit einer passenden Form der Visualisierung, die hilft, die Zusammenhänge zu erkennen. Alexander Osterwalder und Kollegen haben diese Visualisierung mit deren „Business Model Canvas“(2) für Geschäftsmodelle praxisnah gelöst. Seither gibt es unter Projektmanagement-Treibenden verstärkt die Diskussion um einen Projektmanagement-Canvas(3). Die haben mich nun getrieben, meine ‚alten‘ Gedanken wieder aufzugreifen und einen solchen Canvas zu entwickeln.

Der hier vorgestellte Projektmanagement-Canvas soll in der heutigen Form vor allem den Einstieg ins Projekt bis zur Projektplanung leichter machen.

Der ausgefüllte Canvas ist das Ergebnis des Projektstart-Workshops

Wir machen immer wieder gute Erfahrung, in ein Projekt mit einem Start-Workshop einzusteigen, in dem die grundlegenden Fragen zum Vorgehen und zur Organisation diskutiert und beantwortet werden. Das beginnt sinnvollerweise mit der Ausgangslage, adressiert die Risiken und macht die Ziele des Vorhabens klar. Außerdem den Weg von Ausgangslage zum Ziel, zumindest was grobe Schritte, Struktur und Zusammenarbeit betrifft. Selbst bei großen Projekten gelingt es auf diesem Wege eine solide Grundlage zu legen.

Der Projektmanagement-Canvas wird im Rahmen des Start-Workshops ausgefüllt und sorgt so für eine stabile Grundlage.
Der Projektmanagement-Canvas wird im Rahmen des Start-Workshops ausgefüllt und sorgt so für eine stabile Grundlage.

Genau diese Punkte adressiert der Canvas und versucht die Beziehung zwischen den verschiedenen Punkten sichtbar zu machen und die Logik dahinter:

  • Auftrag: Wie lautet der Auftrag? Welche Vorgaben gilt es einzuhalten? Wer ist der Auftraggeber? Was ist nicht Bestandteil des Auftrags? Was wird vom Projektteam erwartet?
  • Ausgangslage & Rahmenbedingungen: Was ist der aktuelle Stand zu diesem Thema? Welche Rahmenbedingungen gelten? Auf welche Dinge kann das Projektteam aufbauen? Wo sind die Grenzen des Möglichen? Welche Ideen gibt es? Was ist das zu lösende Problem? Wie ist das Projekt entstanden? Weshalb ist das Projekt nötig? Welche Auflagen gibt es?
  • Wesentliche Risiken: Welche Risiken werden als wesentlich gesehen? Wie werden diese adressiert? Wie soll grundsätzlich mit Risiken verfahren werden? (4)
  • Projektziel: Wie sieht die Welt nach Projektende aus? Welches Ergebnis steht dann zur Verfügung? Was hat sich dann gegenüber heute verändert? Was ist neu? Welcher Nutzen ist dann erreicht? Was ist nicht Ziel des Projekts?
  • Grundsätzliche Lösungsansätze: Wie sehen die bisherigen Überlegungen zur Problemlösung aus? Welche Kriterien muss eine gute Lösung erfüllen? Welche Lösungsansätze werden aus welchen Überlegungen heraus favorisiert? Welche sollen ausgeblendet werden?
  • Grundsätzliche Projektstrategie: Worauf legt das Projekt wert? Welche Instrumente des Projektmanagement stehen im Vordergrund? Was kennzeichnet die grundsätzliche Vorgehensweise? Was wird bei diesem Projekt anders gemacht als bei anderen Projekten? Was zeichnet die Projektorganisation aus?
  • Phasen & Zwischenziele: Was sind grobe zeitliche Abschnitte des Projekts? Welche inhaltlichen Phasen gibt es? Welche organisatorischen Phasen sind nötig? Welche Zwischenziele sollen am Ende dieser Abschnitte jeweils erreicht sein?
  • Budget & Ressourcen:  Welches Budget steht zur Verfügung? Welche Personen mit welcher Kapazität? Welche weiteren Ressourcen? Wie können und sollen diese eingesetzt werden? Wie erfolgt die Steuerung von Budget und Ressourcen?
  • Personen, Rollen, Verantwortung & Kompetenzen: Welche ‚Spieler‘ gibt es? Wer sind die Stakeholder des Projekts? Welche Rollen sind nötig & sinnvoll? Wer wird in welcher Rolle wie beteiligt? Welche Erwartungen sind mit welcher Rolle verbunden? Wie werden Entscheidungen getroffen? Wer erhält welche Kompetenzen?
  • Kommunikation & Information: Wie wird wer wann über was informiert? Welche regelmäßigen Kommunikationspunkte gibt es für welche Zielgruppe mit welchen Medien und welchen Inhalten? Wie sehen Eskalationspfade aus? Wie Kommunikationswege im Krisenfall?
  • Projektstruktur: Um welche Themen-/Aufgabenbereiche muss sich das Projektteam kümmern? Was sind Bestandteile dieser Themen-/Aufgabenbereiche? Was ist nicht mehr Verantwortung des Projektteams? Wer sind die verantwortlichen Personen? Wer soll in welchem Bereich grundsätzlich eingesetzt werden? (6)

Auch wenn diese Punkte jeder für sich eine Aussage über das Projekt machen, so ergibt sich erst aus deren Zusammenspiel ein schlüssiges Bild zur Vorgehensweise. Leider wird zu Projektbeginn inhaltlich diskutiert und das Vorgehen ausgeblendet (oder gar als aufgrund der Abteilungen als bereits geregelt betrachtet). Der Canvas fokussiert vor allem die Vorgehensweise. Denn wenn die klar ist, entstehen die inhaltlichen Ergebnisse in schlüssiger Reihenfolge auf dem Weg zum Ziel.

Konkreter Vorschlag zum Einsatz des Canvas:

  1. Projektmanagement-Canvas richtig groß ausdrucken (DIN A0?) und kleine Haftnotizen beschaffen (oder mit einem Beamer an die Wand projizieren)
  2. Vorläufiges Projektteam zu Start-Workshop einladen
  3. Mit der Rubrik „Auftrag“ in die Diskussion einsteigen und sämtliche Überlegungen mit Haftnotizen erfassen; Sprünge zwischen den Rubriken sind ausdrücklich erwünscht
  4. Sicherstellen, dass alle Rubriken ausführlich diskutiert werden
  5. Das Ergebnis rund machen: Widersprüche klären und Lücken schlüssig füllen
  6. Den Canvas mit dem Auftraggeber oder Lenkungsgremium diskutieren und freigeben lassen
  7. Detaillierte Projektplanung starten

Aus meiner Sicht kann der Canvas eine Projektskizze(7) als Vorbereitung der Freigabe zur detaillierten Projektplanung ersetzen. Die Projektskizze ist ein sinnvoller Zwischenschritt zwischen (oft mündlich erteiltem) Projektauftrag und dem Start in eine detaillierte Projektplanung.

Ich wünsche viel Spaß und Erfolg beim Testen! Außerdem erhoffe ich mir Feedback, um daraus dann eine Version 2.0 zu entwickeln. Eine Variante für größere Ausdrucke habe ich im Projektkaufhaus bereitgestellt.

Mit den besten Grüßen
Ihr
Holger Zimmermann
Projektmensch

Quellen:


Nachtrag vom 23. Oktober 2015:

Zum Projektmensch-Canvas gibt es nun ein kurzes Einführungsvideo:

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5 Kommentare bei „Projektmanagement-Canvas“

  1. […] Bei meiner Grafik orientierte ich mich an folgender Quelle: https://blog.projektmensch.com/2013/04/05/projektmanagement-canvas/ […]

  2. Hallo Holger,

    Super! Vielen Dank für Deinen Beitrag. Ich bin deiner Anleitung gefolgt und habe es vor Kurzem bei einem Meeting vorgestellt. Meine Kollegen waren begeistert.

  3. Das freut uns! Viel Erfolg. Wir drücken die Daumen.

  4. Mir wurde im Job auch ein Projekt auferlegt, doch bin ich in diesem Bereich doch ziemlich unerfahren. Mitgearbeitet habe ich bereits öfter, doch ein Projekt geleitet und vor allen Dingen auch geplant habe ich noch nicht. Daher danke an eure tollen Informationen, denn ihr habt mir hierbei doch sehr viel weitergeholfen. Bei mir ging es schon darum, dass ich nicht so recht wußte, worauf ich eigentlich von Beginn an achten sollte. Das der Projektstart eine solche Bedeutung hat hätte ich niemals gedacht, denn ich dachte das auch unter dem laufenden Projekt noch nachjustiert werden könnte, doch natürlich gebe ich euch mit euren Informationen selbstverständlich vollkommen recht. Was mir vor allen Dingen die Augen geöffnet hat, war euer Ablaufplan. Das die einzelnen Projektziele in kleine Zwischenziele unterteilt werden können erleichtert mir einerseits die Planung, jedoch auch das Zeitmanagement für das Projekt. Zugleich habt ihr den Punkt Risiken gut herausgearbeitet, denn eine entsprechende Einschätzung hätte ich keinesfalls auf dem Zettel gehabt und sicherlich vergessen. Bin gerade dabei nach eurem Muster das mir auferlegte Projekt aufzuarbeiten. Haltet mir also die Daumen!

  5. Gefällt mir ausgesprochen gut.
    Entspricht meinen eigenen Erfahrungen fast zu 100%.
    Ergänzen möchte ich noch, dass man bei den frisch zusammengewürfelten Teams nie davon ausgehen darf, dass das gleiche Verständnis über die PM- und andere Rollen besteht. Deshalb im WS genau auch dafür sorgen.
    Und wichtig finde, dass die einzelnen ein wenig darüber dem Team bekannt geben, wie sie „ticken“….wenn z.B. jemand im Eingangs-WS bereits sagt, dass er/sie aus familiären Gründen Mo und Fr prinzipiell nicht „vor Ort“ sein kann, so kann man dies weitestgehend in der Planung berücksichtigen…Tut man dies nicht, heisst während des Projektes später schlimmstenfalls: „Der..? Der ist doch Mo und Fr nie da !!!“

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