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Ein Projektstrukturplan ist kein Ressourcenplan.

Gewerke sind wichtig auf dem Bau, jedoch nicht als Projektstruktur. Die spiegelt sonst die Realität nicht wieder.

Gewerke sind wichtig auf dem Bau, jedoch nicht als Projektstruktur. Die spiegelt sonst die Realität nicht wieder.

Wenn ich Bauprojekte sehe, werde ich – aus unserer Projektmensch-Sicht – nahezu wahnsinnig. Auf dem Bau wird in Gewerken gedacht und strukturiert. „In KW XY kommen die Maurer, dann der Zimmermann.“ Was für ein Unfug. Ehrlich: die gesamte Bauzeitenplanung wird dadurch wenig brauchbar. Zumindest in der Realisierungsphase. Sie stellt die Realität kein bisschen dar und damit auch nicht die anstehenden Aufgaben und Probleme, die gelöst werden müssen. Das jedoch MUSS ein guter Projektplan liefern, sonst kann ich mir die Zeit für dessen Erstellung sparen. Dann gehe ich lieber ins Schwimmbad oder lese einen guten Krimi. Die Vermischung von Projektstruktur und Ressourcen ist eine unzulässige Vereinfachung. Egal ob die HOAI das vermeintlich so vorsieht oder nicht.

Mal angenommen Sie wollen ein Einfamilienhaus mit Garage, Geräteschuppen und Bürotrakt bauen. Es geht gerade um den Schuppen. „Den macht der Zimmermann.“ ruft Ihnen der Bauleiter zu. „Alles klar“, denken Sie und ziehen gedanklich weiter. Bis der Zimmermann Sie anruft und fragt, wann denn der Boden vorbereitet wird. „Macht das nicht der Zimmermann?“ denkt der Laie, schließlich hat das der Bauleiter verkündet. Nö, macht er nicht, das macht der Rohbauer. Der hat laut Bauzeitenplan aber die Baustelle seit Wochen verlassen. Er ist ja das erste Gewerk. Ist aber kein Beinbruch, der Bauleiter stimmt das kurz ab: erst ebnet der Rohbauer den Boden, dann stellt der Zimmermann den Schuppen. Die Woche, die das kostet, verschmerzen Sie leicht.

Kurz bevor eben die Vorbereitung erledigt wird, kommt der Zimmermann mit der nächsten Frage um die Ecke: „Wen habt Ihr denn als Dachabdichter?“ Sie lernen: das macht wohl auch nicht der Zimmermann. Erneut stimmt der Bauleiter das ab. Nebenbei erfahren Sie, dass nun noch der Flaschner gebraucht wird, denn Bleche sind ebenfalls nötig. Manch einer fragt sich bereits, was der Zimmermann eigentlich am Schuppen macht? Aber diese Gedanken werden jäh unterbrochen: „Wie machen wir es mit der Türe?“ fragt der Zimmermann erneut, der seine Schalung einem Schreiner beistellen will. „Schreiner?“ „Ja, der macht die Türen.“

Leider lernen Sie nun auch, dass der Schreiner im Bauzeitenplan ein spätes Gewerk ist. Die Ausschreibung ist noch nicht raus. Und Sie verstehen auch, dass das Gewerk „Zimmermann“ eben nicht am Stück durchgeführt wird, wie der Bauzeitenplan suggeriert. Schließlich war der Zimmermann bereits vor einigen Tagen auf Ihrer Baustelle, um das Dach aufzurichten und er wird zu einem anderen Zeitpunkt nochmals kommen, falls Ihre Garage dem Schuppen gleichsehen soll.

Über das Fenster, das Ihr Schuppen ebenfalls haben wird, haben wir dabei noch gar nicht gesprochen. Und die Innenausstattung habe ich auch mal weggelassen, in der Annahme, dass schon jemand an entsprechende Anschlüsse und Leerrohre gedacht haben wird.

Worin liegt der Fehler? Ganz einfach: Ihr Schuppen besteht aus verschiedenen Bestandteilen, einem Boden, einem Fundament, den Wänden, einem Dach, Türen und Fenstern etc. Das ist Ihre Produktstruktur (siehe auch „Projekten Struktur geben„), die Teil Ihres Projektstrukturplans ist. Damit jedes dieser Elemente am Ende fertiggestellt ist, muss irgendjemand etwas tun. Etwa bei der Türe gilt es folgende Tätigkeiten zu erledigen: Aufmaß nehmen, Anschluss an Wände abstimmen, Türe herstellen, Türe liefern, Türe einbauen, Schloss liefern, Schloss einbauen, Türe einstellen, Schlüssel übergeben.

Um alle Bestandteile und die jeweiligen Aufgaben muss sich jemand kümmern. Das ist eben nicht nur der Zimmermann. Sie brauchen auch Glaser, Flaschner und andere. Eben auch den Schreiner, für die Türe. Wen Sie genau brauchen, ergibt sich aus den Tätigkeiten, da für jede Tätigkeit eine bestimmte Expertise gefordert ist. Die Tätigkeiten müssen in einer bestimmten Reihenfolge durchgeführt werden. Die Türe kann erst eingebaut werden, wenn die Wände stehen. Daraus ergibt sich, wann welche Person mit welcher Tätigkeit auf Ihrer Baustelle sein muss. Logisch, oder?

Der Bauzeitenplan, nach Gewerken strukturiert, bildet diese Realität in keiner Weise ab.

Der Bauzeitenplan, nach Gewerken strukturiert, bildet diese Realität in keiner Weise ab. Entsprechend wird es auf der Baustelle gelegentlich hektisch. Unnötigerweise. Eine echte Projektstruktur und mehr Details im Bauzeitenplan würden für entspannteres Arbeiten, weniger Umplanung, niedrigere Kosten und frühere Lieferung sorgen. Ich trete den Beweis gerne an. Komplexität verschwindet nicht dadurch, dass man sie nicht erfasst.

Falls Sie also einen nach Gewerken sortierten Bauzeitenplan vorgelegt bekommen, fassen Sie nach: was muss vorher erledigt sein? Was muss zwischendurch erledigt werden? Was danach? Überlegen Sie selbst, aus welchen einzelnen Elementen das Objekt, das erstellt werden soll besteht. Dann fragen Sie nach, in welcher Reihenfolge die zusammengefügt werden, wer das macht und ob das abgestimmt ist. Damit haben Sie noch keinen besonders belastbaren Strukturplan, jedoch viel Hektik vermieden. Und falls Sie mehr Fragen haben, dann melden Sie sich. Wir schauen uns den Zeitplan gerne mal an und geben ein Feedback, was wir davon halten. Ganz subjektiv.

Meine Vereinfachungen, Abkürzungen und Pauschalierungen in diesem Text bitte ich mir nachzusehen. Ich wollte kein Buch schreiben und trotzdem die Realität wiedergeben. Alle, die eine echte Projektstruktur in Bauprojekten verwenden, bitte ich gleichsam um Verzeihung.

Ihr
Holger Zimmermann
Projektmensch

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