Buchkritik: Wie sich Menschen organisieren, wenn ihnen keiner sagt, was sie tun sollen.

Ein kleines Büchlein über die Selbstorganisation von Mannschaften.

Siebeneinhalb Gedanken darüber, wie sich Menschen organisieren, hat Lars Vollmer in ein Büchlein gepackt. Bei dieser Rezension muss ich aus mehreren Aspekten aufpassen. Die Gedanken in „Wie sich Menschen organisieren, wenn ihnen keiner sagt, was sie tun sollen“ (1), sind sehr nah an meinen eigenen Erkenntnissen. So fällt es schwer, den Unterschied zu erkennen. Und so fällt es schwer, die Inhalte kritisch zu sehen, ich musste aufmerksam lesen. Das muss ich vorweg schicken. Wie ich auch vorweg schicken will: Lars Vollmer hat mir das Büchlein als Rezensionsexemplar kostenlos zur Verfügung gestellt. (Dafür vielen Dank!)

Lust hat mir die Lektüre gemacht, die Gedanken zur Minimum Viable Organisation (MVO) ausführlicher zu Papier zu bringen. Denn diese minimalistische Organisationsform lebt davon, dass man sich auf Ergebnisse fokussiert und nicht auf Prozesseinhaltung, sie lebt von Prinzipien, sie sorgt dafür, dass man auf Überraschungen vorbereitet ist und doch etwas wie einen Plan hat, sie verzichtet auf feste Posten und baut darauf, dass allen alle Information zur Verfügung steht. Ihren Anfang nimmt die MVO darin, dass sie einen Auftrag hat – eine Mission – und ein Bild davon, wo sie hin will. Der Urheber der Organisation ist eine zentrale Figur, denn er prägt eben diese Gedanken und die ersten Prinzipien.

Damit ist schon viel gesagt über die Gedanken, die in Vollmers Büchlein zu finden sind. Die Parallelen sind unübersehbar, wobei sich Vollmer aus anderer Perspektive nähert. Genau das war dann auch das Spannende für mich. Mir ist die Welt der Projekte, und damit die Welt des Sonderfalls und der Überraschungen näher, als tayloristische Organisationsformen. Doch genau aus deren Sicht beschreibt Vollmer kenntnisreich, wie das System tickt und welche Nebenwirkungen es hat. Wobei er sich differenziert mit Selbstorganisation auseinandersetzt und diese nicht als Allheilmittel anpreisen will. Ein echtes Plus für den Titel im derzeitigen Hype um NewWork und Agilität.

Dazu kommen die Beispiele, die der Autor anführt. Die machen das Salz in der Suppe. Sie zeigen ganz praktisch, was gemeint ist und wie es funktioniert. Da ist etwa der Abend des 11. April 2017, an dem der Anschlag auf den BVB-Bus dafür gesorgt hatte, dass das Champions-League-Spiel gegen AS Monaco abgesagt werden musste. „Und irgendwann wurde klar, dass nicht nur das Spiel abgesagt war, sondern auch die Monaco-Fans an diesem Abend nicht mehr aus Dortmund wegkommen und nach Hause reisen konnten. Die Fans waren gestrandet.“ Unter dem Hashtag „#bedforawayfans“ wurden via Twitter und Co. von Fans für Fans Übernachtungsmöglichkeiten organisiert. Ganz ohne zentrale Instanz, die alles regelt. Ich muss zugeben, schöner kann man Wirkung und Effekt von Selbstorganisation kaum beschreiben.

Wer dieses Büchlein liest, nimmt viel darüber mit, wie traditionelle Organisationen heute typischerweise ticken – und wie es anders laufen könnte. Keine 100 Seiten hat das Werk, was alleine schon ein Kaufargument ist, denn man hätte daraus mit ein wenig Bullshit-Bingo sicherlich auch 200 oder mehr Seiten werden lassen können. Allerdings, und das ist geschickt gemacht, lohnt es sich vorab „Zurück an die Arbeit!“ (1) vom selben Autor zu lesen. Denn so einige Punkte in diesem Buch erklären sich viel besser, wenn man das andere zuvor genossen hat.

Ich lade mir nun erst einmal noch den letzten, den halben Gedanken herunter. Dafür bekommt Vollmer meine Mail-Adresse und ich einen Hinweis, wann sein nächstes Buch erscheint. Auch das ist, muss ich anerkennen, geschickt gemacht.

Mit Projekten ist mehr möglich, als man ahnt.

Ihr
Holger Zimmermann
Projektmensch


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