Elf einfache Instrumente für Auftraggeber, oder: Warum Chefs stets zu viel arbeiten.

Projektmanagement als ständige Baustelle? Muss nicht sein, wenn Auftraggeber von Projekten ein paar einfache Schritte beachten.

Ist es nicht ein Traum: Da habe ich einen Projektleiter, dem gebe ich den Auftrag, er weiß was ich will und liefert, was ich gewünscht habe? Wer die Welt aus Sicht einer Führungskraft kennt, weiß, dass das so selten funktioniert. Projekte machen Probleme und das nicht nur in Berlin. Was auch daran liegt, dass die Auftraggeber von Projekten, also die Führungskräfte einer Organisation, sich schwer tun, Projekte solide aufs Gleis zu setzen. Das macht allen Beteiligten unnötig Arbeit. Auch den Chefs selbst, wenn diese das auch nicht wahrhaben wollen. Elf einfache Schritte sorgen für Abhilfe.

„Das ist eben so, das war noch nie anders!“

Bevor wir uns jedoch an die Lösung machen können, ein Hinweis: die Schwierigkeiten, die Sie mit Ihren Projekten erleben, müssen so nicht sein. Wie oft hören wir: „Das ist normal!“ oder „In unserer Branche ist das üblich!“ Mag sein. Das ist jedoch kein Argument dafür, dass man die unnötigen Umwege und Schmerzen nicht abstellen sollte. Im Gegenteil. Meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass in mehr als neun von zehn Fällen eine deutliche Verbesserung der Projektumsetzung möglich ist. Die Chefs sitzen dabei am längsten Hebel.

„Da müssen wir die Projektleiter trainieren!“

Korrekt. Gute Projektleiter sind Gold wert. Sie sind in der Lage, wenn es sein muss, selbst den eigenen Boss durch das Projekt zu führen. Wir nennen das „Führen ohne Macht“ und wissen, dass das anstrengend ist. Ganz abgesehen davon, dass es sehr aufwändig ist, alle Projektleiter soweit zu trainieren, dass sie das solide beherrschen und anwenden. Viel geschickter ist es, die Auftraggeber als Projektauftraggeber fit zu machen. Denn ein (interner) Auftraggeber führt meist mehrere Projektleiter. Er wird damit automatisch zum Multiplikator für gutes Projektmanagement. Ganz abgesehen davon, dass er meist einen längeren Zeitraum mit einem Projektleiter zusammenarbeitet und so kontinuierlich an dessen Entwicklung mitwirken kann.

Auf elf einfache Dinge sollten Auftraggeber achten, damit Projekte gut in Fahrt kommen und bleiben.

Klingen banal, haben sich jedoch bewährt: elf Schritte, auf die Auftraggeber von Projekten achten sollten, um sich und allen Beteiligten unnötige Mühe zu sparen.
Klingen banal, haben sich jedoch bewährt: elf Schritte, auf die Auftraggeber von Projekten achten sollten, um sich und allen Beteiligten unnötige Mühe zu sparen.

Wenn Auftraggeber auf ein paar wenige, wesentliche Dinge achten, können sie mit Sofortwirkung mit weniger Reibung in der Projektarbeit rechnen. Die Punkte klingen, so scheint es mir, schon so banal, dass mancher nicht daran glauben will. Da kann ich nur empfehlen: probieren Sie es aus. Wählen Sie ein oder zwei Projekte und arbeiten Sie dort mit diesen elf Instrumenten. Die sind nicht der Stein der Weisen. Sie sind jedoch nützliche, bewährte Schritte in Sachen Weiterentwicklung der Projektkultur im Unternehmen.

Als (interner) Auftraggeber eines Projekts:

  1. Überlegen Sie, ob man diese Idee wirklich umsetzen muss. Die meisten Unternehmen, die wir erleben, versuchen zu viele Projekte gleichzeitig zu stemmen. Da wir nicht wirklich gleichzeitig, also parallel, an zwei Projekten arbeiten können, führt das zu schädlichem Multitasking. Wir springen zwischen Projekten hin und her, keines wird fertig. Deshalb lohnt es sich, kurz darüber nachzudenken, ob es in der jeweils aktuellen Situation nicht besser wäre, den Auftrag für ein Projekt nicht zu geben. Das Starten eines Projekts ist einfach, das Abschließen mit gutem Ergebnis ist die Kunst.
  2. Wählen Sie den Projektleiter bewusst. Projektleitung benötigt ebenso Kapazität, wie alle andere Arbeit im Projekt. Damit ein Projekt überhaupt in die Umsetzung kommen kann, benötigt der Projektleiter ausreichend Kapazität und das Know-how, ein Projekt führen zu können. Leider werden viele Experten zu Projektleitern ernannt. Das ist einer der zehn Tipps aus dem Vortrag „Wie Sie Ihr Projekt mit Sicherheit ruinieren“. Wer den Experten zum Projektleiter macht, macht den Bock zum Gärtner.
  3. Übergeben Sie den Projektauftrag, das Projektmandat schriftlich und stehen Sie für Rückfragen zur Verfügung. Es gibt kaum eine effektivere Besprechung als die zur Auftragsklärung. Wer den Projektleiter ohne diese Rücksprache ins Rennen schickt, fordert vom Projektleiter, dass er die eigenen Gedanken und Bedürfnisse erraten muss. Wie unterschiedlich Menschen Dinge interpretieren, können Sie selbst mit einem kleinen Experiment herausfinden: Lassen Sie ein paar Kollegen ein Boot zeichnen, ohne dass diese miteinander reden oder sich gegenseitig auf das Blatt schauen dürfen. Raten Sie, wie viele identische Zeichnungen von Booten Sie erhalten werden.
  4. Entscheiden Sie über die Rangfolge der Projektbearbeitung. Die Rangfolge regelt die Vorfahrt in dem Fall, in dem zwei Projekte die gleichen Personen oder Maschinen zur gleichen Zeit einsetzen wollen. Ein Rang ist im Gegensatz zur Priorität, wie wir sie im Projektalltag häufig erleben („Welches Projekt hat Priorität A?“ „Beide!“), eindeutig. Als Vorratsentscheidung macht die Festlegung eines eindeutigen Rangs Projekte grundsätzlich schneller, da mindestens im beschriebenen Konfliktfall Gespräche mit „dem Management“ unnötig und Wartezeiten auf Entscheidungen vermieden werden. Die Projektleiter können die meisten dieser Fälle eigenständig regeln und dies im Sinne der Auftraggeber.
  5. Nehmen Sie am Projektstart-Workshop teil. Im Gegensatz zum Kick-off, das den Beginn der Umsetzung markiert und nach der Projektplanung durchgeführt wird, ist der Projektstart-Workshop eine Arbeitssitzung ganz zu Beginn eines Projekts. Darüber lässt sich ein Projekt organisatorisch schnell und solide auf die Schiene bringen. Wenn Auftraggeber zu Beginn und Ende eines solchen Workshops daran mitwirken, spart das Klärungsrunden und damit allen Beteiligten Zeit. Dabei lohnt es sich besonders bei der Festlegung der Projektziele darauf zu achten, dass diese nicht die Problemlösung, sondern den angestrebten Nutzen und den angestrebten Soll-Zustand beschreiben. Erst wenn klar ist, welcher Nutzen gestiftet werden soll, kann ein Projekt in die Umsetzung gehen. Wobei Nutzen nicht zwingend etwas mit Geld zu tun haben muss und unterschiedliche Personengruppen unterschiedlich von einem Projekt profitieren können.
  6. Geben Sie die Projektskizze im Gespräch frei. Die Projektskizze ist eine Art organisatorischer Projektvertrag zwischen Auftraggeber, Projektleitung und Projektteam. Darin sind unter anderem Ausgangslage, Ziele, Zwischenziele, Projektumfang, Rollen, Spielregeln der Zusammenarbeit, Projektkommunikation und Projektmanagement-Vereinbarungen festgehalten. Die Inhalte basieren auf den Ergebnissen des Projektstart-Workshops. Durch das Gespräch über die Projektskizze wird sichergestellt, dass alle Beteiligten dasselbe verstanden haben. Missverständnisse und damit Reibung werden vermieden. Das spart ebenfalls Arbeit für alle Beteiligten.
  7. Sorgen Sie dafür, dass Kapazitäten eindeutig und zweifelsfrei zugesagt sind. Die Sicherung von Kapazität ist einer der meist übergangenen Schritte in Projekten. Fast scheint es so, als hätten Unternehmen unendliche zeitliche Ressourcen zur Verfügung. Die Klärung, ob genügend Kapazität frei ist, beginnt im Kalender des Auftraggebers. Der Auftraggeber wird mindestens für wesentliche Entscheidungen und Rückfragen zu Auftrag und Anforderungen benötigt. Hat er diese Zeit nicht, bringt er ein Projekt in unnötige Schwierigkeiten. Dasselbe gilt für alle anderen Beteiligten. Ein Projekt, das keine Kapazitäten zur Verfügung hat, muss abgebrochen oder vertagt werden. Ohne Ausnahme.
  8. Stimmen Sie den Projektplan samt Budget und Kapazitäten mit der Projektleitung und dem Projektteam ab. Dieser gemeinsame Akt der Freigabe des Projektplans stellt nochmals sicher, dass auch im Rahmen der Projektplanung keine Missverständnisse Eingang in die Projektumsetzung gefunden haben. Gleichzeitig wird allen Beteiligten bewusst, wo die Engpässe und schwierigen Stellen im Projekt sind, so dass alle an deren Beseitigung mitwirken können. Wobei alle Gespräche, die bisher Eingang in diese Liste der elf Instrumente gefunden haben, gleichzeitig bewirken, dass Vertrauen zwischen Projektleitung und Auftraggeber entsteht. Und „Vertrauen reduziert Komplexität“ (Niklas Luhmann), etwa indem weniger Kontrollaufwand betrieben werden muss.
  9. Stellen Sie regelmäßige Rücksprachen und zügige Entscheidungen sicher. Ein Jour Fixe (franz. fester Tag) wurde deshalb so benannt, weil damit eine Besprechung an einem festen Tag gemeint ist. Die Regelkommunikation ist der Motor eines Projekts. Fällt die Regelkommunikation mit zunehmender Regelmäßigkeit aus, ist das ein sicheres Indiz dafür, dass ein Projekt in schwieriges Fahrwasser kommt. Der regelmäßige Austausch zwischen Projektleitung und Auftraggeber ist wichtig, um den Nutzen im Sinne des Unternehmens sicherstellen zu können und Entscheidungen herbeizuführen. Wo Regelkommunikation sinnvoll genutzt wird, sinkt die Anzahl der ad-hoc notwendigen Abstimmungen und damit der Aufwand für Umplanung deutlich.
  10. Nehmen Sie das Produkt vor Projektende ab. Gerade die Diskussion um agile Vorgehensmodelle macht deutlich, dass in vielen Projekten das Ergebnis zu spät getestet wurde. Dann musste aufwändig korrigiert werden. Wer bereits bei der Definition von Zwischenzielen, ob über Meilensteine oder eine Roadmap, auf Abnahmen achtet, hilft mit, Gesamtrisiko und Korrekturaufwand zu minimieren. Ganz abgesehen davon, dass ein fertiges Produkt noch nicht bedeutet, dass das Projekt erfolgreich war. Erst wenn der vereinbarte Nutzen hergestellt ist, darf ein Projekt als erfolgreich betrachtet und abgeschlossen werden.
  11. Nehmen Sie das Ergebnis ab und tragen Sie zu den Lessons Learned bei. Die Management-Sicht, die Sie als Auftraggeber haben, ist für das Lernen aus Projekten ungemein wichtig. Deshalb macht es Sinn, um sich in zukünftigen Projekten Mühe zu sparen, diese Sicht zu den Lessons Learned beizusteuern. Sie versetzt Projektleitung und Projektteam in die Lage, Bedürfnisse und Anforderungen von Seiten des Managements besser antizipieren zu können. Bei der Abnahme des Projektergebnisses lohnt es sich, besonders darauf zu achten, ob der in der Projektskizze vereinbarte Nutzen (siehe Punkte 5 und 6) tatsächlich erreicht wurde.

Keiner dieser elf Schritte kommt auch nur in die Nähe von Raketenwissenschaft. Das macht die Umsetzung leicht, sollte man meinen. Über die Jahre kann ich nur einen Unterschied zwischen den Unternehmen erkennen, in denen diese Schritte funktionieren, und denen, wo deren Wirkung verpufft: Dort, wo jemand diese Schritte ausprobiert hat, gelingt die Umsetzung. Dort wo erst gar nicht ausprobiert wurde, verpufft jeder Einsatz in Sachen Weiterentwicklung von Projektmanagement.

Ich freue mich auf Ihr Feedback!

Ihr
Holger Zimmermann
Projektmensch

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