Modellprojekt ‚Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum‘

Der ländliche Raum bringt besondere Anforderungen mit sich, etwa in Sachen Gesundheitsversorgung. Pilotprojekte sind geeignet, um hierfür Lösungen zu entwickeln.

Pilotprojekte (oder Modellprojekte) sind ein wunderbares Mittel, wenn es darum geht, bestehende Strukturen „aufzubrechen“. Bestehende Strukturen sind es denn auch, die nicht selten die Lösung eines Problems behindern. Dazu zählt die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum. Sie ist von Systemgrenzen bestimmt, die künstlich sind, ebenso wie die Elemente, in denen gedacht wird. Da sind etwa die Landkreise und Kommunen, die als Rand für den Einzugsbereich von Krankenhäusern genutzt werden. Zulassungen für Hausärzte nutzen dieselben Grenzen. Nun schließen Krankenhäuser auf dem Land und Hausärzte finden keinen Nachfolger. Zeit, das System neu zu denken.

Ein Modellprojekt kann helfen, Akteure an einen Tisch zu bekommen, die unter normalen Umständen nur auf sehr komplizierten Wegen miteinander interagieren. Gleichzeitig fordert ein Modell- oder Pilotprojekt geradezu unkonventionelle Lösungen. Wenn es um Gesundheitsversorgung geht, ist häufig von Krankenhäusern die Rede. Es wird in ambulant und stationär sowie Bettenzahl gedacht. Wer sagt, dass das so sein muss? Oder noch geschickter gefragt: Wie könnte man Gesundheitsversorgung noch gestalten, um eine solche auf dem Land sicherzustellen?

Auf die Überschrift kommt es an

Bei der Definition eines Modellprojekts ist der Rahmen ungemein wichtig, unter dem ein solches gestartet wird. Ich habe hier „Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum“ benutzt und ganz bewusst nicht „Krankenhäuser im ländlichen Raum“. Letztere Überschrift würde zum Nachdenken über Organisation und Verfügbarkeit von Krankenhäusern führen, über deren Optimierung. Das wurde schon oft gemacht. „Gesundheitsversorgung“ als Überschrift liefert die Erlaubnis mit, über Krankenhäuser an sich nachzudenken, über Abrechnungsformen, über Beteiligte, über einfach alles. Das öffnet den Raum für weitere Lösungsansätze.

Das „Ziel hinter dem Ziel“ liefert eine geeignete Fragestellung, um die passende Überschrift zu finden. Ich habe selbst erlebt, wie in kommunalen Gremien über Krankenhausstandorte diskutiert wurde. Nur wenige hatten damals hinterfragt, um was es eigentlich geht. Der Erhalt eines Standorts hatte zu erbitterten Debatten geführt. Dabei wollten am Ende alle dasselbe: eine gute Gesundheitsversorgung. Denn dazu tragen bisher Krankenhäuser wesentlich bei. Neben anderen Akteuren. Dieses „Ziel hinter dem Ziel“ trägt als Überschrift und könnte die Beteiligten einen.

Mitstreiter von außerhalb des Systems

Einen zweiten Baustein halte ich für das Gelingen von Modellprojekten essentiell: Das Team muss auch mit Mitstreitern von außerhalb des Systems besetzt werden. Der Projektleiter darf auf keinen Fall ein Experte sein, er würde nur wieder erfinden, was es schon gibt. Das jedoch kann nicht Sinn und Zweck eines Modellprojekts sein, das eine echte Innovation, in der Praxis exemplarisch erprobt, zum Ergebnis haben soll.

In einem Modellprojekt zur Gesundheitsversorgung sind Ärzte, Vertreter der Krankenhausträger, der Krankenkassen und Abrechnungsinstitutionen, Gesetzgeber, Sachverständige in den Ministerien, Politiker als Teammitglieder nötig. Ebenso wie Menschen, die sich üblicherweise nicht oder nur selten mit dem Thema beschäftigen, etwa Unternehmensvertreter, Berater anderer Branchen, vielleicht sogar Künstler. Außerdem sind Kunden wichtig, Menschen, die die Region vertreten, um die es geht.

Freie, offene, anpassbare Organisation

Es dürfte wohl gar nicht so leicht sein, eine solche Mannschaft unter einen Hut zu bekommen. Das ist gut so, denn es soll ja ein gutes Ergebnis dabei herauskommen, etwas, das über das Übliche hinaus geht. Das ist allerdings auch anspruchsvoll, was die Organisation der Zusammenarbeit, die Projektführung, betrifft.

Sie muss darauf angelegt sein, den Menschen den Raum zu geben, um kreativ sein zu können. Gleichzeitig muss sie verschiedenste Handlungsstränge im Auge behalten, wovon manche weiterverfolgt, manche auf Pause gesetzt und manche abgebrochen werden. Das erfordert Überblick und Anpassungsfähigkeit. Und sie muss darauf achten, dass aus Gedanken sinnvolle Experimente und aus Experimenten echte Umsetzung wird. Denn ein Modellprojekt ist kein Konzeptionsvorhaben.

Ein Modellprojekt hat zum Ziel echte Erfahrung zu sammeln und diese so aufzubereiten, dass Nachahmer die Ergebnisse nutzen können. Das gilt sowohl für die inhaltlichen wie auch organisatorischen Erkenntnisse.

Mit dem Landkreis Freudenstadt und der Region drum herum starten

Ich muss zugeben, dass dieser Denkansatz nicht ganz losgelöst von einer echten Problemstellung entstanden ist. Als ich noch im Gemeinderat von Horb war – ich bin bereits 2014 nicht mehr angetreten, da war das Thema bereits Jahre auf der Agenda und immer noch akut – konnte ich die Diskussion um den „Erhalt des Krankenhauses Horb“ als Teil der Krankenhäuser im Landkreis Freudenstadt live miterleben. (Eine unsägliche und wenig konstruktive Diskussion, wenn ich das anmerken darf.) Andere Landkreise haben ähnliche Probleme und das seit Jahren.

Im Jahr 2012 hatte ich dazu diesen Antrag gestellt, der für mich nach wie vor ein gangbarer Weg wäre:

Antrag „Pilotprojekt* Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum“, 21. Dezember 2012

Der Kreistagsbeschluss vom 17. Dezember 2012 zur Schließung des Horber Spitals ist ein historischer Tiefpunkt in der Geschichte des Landkreises Freudenstadt. Gleichzeitig zeigt er die Not auf, die in punkto Sicherung der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum besteht. Das Risiko, dass durch eine Schließung des Standortes in Horb der Standort in Freudenstadt weiter geschwächt wird, ist enorm. Dies wiederum würde zu einer weiteren Verschlechterung der Gesundheitsversorgung im Stadtgebiet führen, die es unbedingt zu vermeiden gilt.

Deshalb beantragen wir, die Stadtverwaltung Horb möge mit den relevanten Ministerien, Institutionen und Unternehmen Kontakt aufnehmen, um ein „Pilotprojekt Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum“ zu initiieren, das hier vor Ort durchgeführt wird. Im Rahmen eines solchen Pilotprojekts sollen gezielt neue Wege ausgelotet werden, wie die Gesundheitsversorgung der Raumschaft in Zukunft gestaltet werden kann. Gezielt sollen mögliche Partner über Stadt- und Landkreisgrenzen eingebunden werden.

Die Lehren aus einem solchen Projekt sollen verallgemeinert überregional zur Verfügung gestellt werden, da unsere Stadt und die Raumschaft nicht die einzigen sind, die dieses Problem lösen müssen. Damit wird gleichzeitig sichergestellt, dass der Erfolg des Projekts von übergreifendem Interesse ist. Dies ist wiederum eine notwendige Voraussetzung, damit ein solches Pilotprojekt gelingen kann.

Die Diskussion hier vor Ort erscheint mir immer noch keinen Deut vorangekommen zu sein. Immer noch wird über Krankenhausstandorte und Krankenhausbauten gestritten. Anstatt sich Gedanken zu machen, wie die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum in Zukunft gestaltet werden kann.

An einem solchen Projekt – gerne hier im Landkreis mit der Region drum herum – wäre ich nach wie vor gerne beteiligt, das Engagement würde sehr viel Sinn stiften. Ich halte die bestehenden Strukturen nicht mehr für tauglich, Gesundheitsversorgung auf dem Land sicherzustellen. Außerdem werden die Möglichkeiten, die die Digitalisierung bietet, aufgrund der Systembeschränkungen nur unzureichend genutzt. Das ließe sich sicherlich so Einiges auf die Beine stellen. Mit Projekten ist mehr möglich, als man ahnt. Kann ich aus Erfahrung bestätigen.

Ihr
Holger Zimmermann
Projektmensch

* In der ursprünglichen Variante dieses Artikels hatte ich den Begriff „Pilotprojekt“ verwendet. Da sich in verschiedenen Gesprächen gezeigt hat, dass „Modellprojekt“ besser passt, habe ich dies nachträglich geändert.


Anlage:

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2 Kommentare bei „Modellprojekt ‚Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum‘“

  1. Würde mich freuen, wenn der Artikel einen nützlichen Beitrag liefert und vielleicht einen kleinen Unterschied macht.

    Herzliche Grüße, Holger Zimmermann

  2. Dr. Dietmar Wietholt, MBA sagt:

    6.10.23 nach der VK des SdW: Guten Morgen Herr Zimmermann, vielen Dank für den Link zu diesem Blog im Zuge der heutigen angestrebten Gesundheitsreform
    Dietmar Wietholt

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