Projektstart: Gemeinsames Verständnis für die Ausgangslage schaffen.

Beim Projektstart sind Fragen wichtiger als Antworten. Eine gemeinsame, ehrliche Bestandsaufnahme legt die Grundlage für alle weiteren Schritte.

Der Projektstart hat eine besondere Wirkung auf den restlichen Projektverlauf. Wer zu Beginn gute Arbeit macht, dem gelingen später viele Dinge leichter und besser. Allerdings versuchen viele Projektleiter (leider) gleich von Beginn an effizient zu sein und sparen sich einen langsamen Einstieg ins Projekt. Was fatale Folgen haben kann. Dabei ist ein langsam Einstieg gar nicht schwer und selten aufwändig. Als erster Baustein eines Projekstart-Workshops hat sich eine Frage bewährt:

Was ist hier los? (Oder: was wissen wir bereits über unser Projekt?)

Zu Projektbeginn kommen verschiedene Individuen zusammen, die alle eine unterschiedliche Sicht auf das Vorhaben, unterschiedliches Vorwissen und unterschiedliche Erfahrungen mitbringen. Um Reibungsverlust klein zu halten, macht es Sinn, aus diesen individuellen Sichten eine gemeinsame Sicht zu machen. Auch vermeintliche Selbstverständlichkeiten sollten jetzt benannt werden, um spätere Missverständnisse und unnötige Diskussionen zu vermeiden. Das gemeinsame Verständnis der Ausgangslage des Projekts schafft die Grundlage für alle späteren Schritte.

Wer weiß, dass etwa das Budget noch nicht geklärt ist, dem ist völlig verständlich, warum der Projektleiter noch kein Geld ausgeben will und dass das Budget noch geklärt werden muss. Wer nichts davon weiß, kommt womöglich zu anderen Schlüssen, setzt vielleicht voraus, dass bei Projektbeginn das Budget immer geklärt sein muss und wundert sich, warum der Projektleiter keine Freigaben für Anschaffungen erteilt. Die darauf folgende Diskussion kann man sich vorstellen.

Beim Projektstart sind Fragen wichtiger als Antworten. Eine gemeinsame, ehrliche Bestandsaufnahme legt die Grundlage für alle weiteren Schritte.
Beim Projektstart sind Fragen wichtiger als Antworten. Eine gemeinsame, ehrliche Bestandsaufnahme legt die Grundlage für alle weiteren Schritte.

Um die oben benannte Frage sorgfältig zu beantworten, arbeiten wir mit einem langen Fragenkatalog. Der ist sehr wertvoll, um eine erste Bestandsaufnahme mit dem – oft sinnvollerweise noch vorläufigen – Projektteam zu machen:

  • Welche Personen sitzen heute am Tisch?
  • Wer ist außerdem bereits am Projekt beteiligt?
  • Wie kam es zur Zusammensetzung dieser Runde?
  • Wie lautet der Auftrag?
  • Welche Dokumente wurden mit dem Auftrag übergeben?
  • Wie sind die Anforderungen an das Ergebnis beschrieben?
  • Wer sind die Autoren dieser Unterlagen?
  • Welche Informationen haben wir darüber hinaus über diesen Auftrag?
  • Welche Zielvorgaben müssen wir einhalten?
  • Wer ist der Auftraggeber des Vorhabens?
  • Wer ist der Initiator des Projekts?
  • Welche Idee steckt hinter dem Auftrag?
  • Wie ist der Auftrag entstanden, welche Vorgeschichte hat er?
  • Wer war an der Entstehung beteiligt?
  • Welcher Nutzen wird erwartet?
  • Welche Erwartung besteht bezüglich der Vorgehensweise und Projektorganisation von Seiten der Auftraggeber?
  • Wer sind die Abnehmer oder Nutzer unseres Projektergebnisses?
  • Wer sind die Menschen, die darüber hinaus ein Interesse an diesem Projekt haben (Stakeholder)?
  • Welche Erwartungshaltung unterstellen wir wem?
  • Wer ist in welcher Rolle wo im Unternehmen aktiv?
  • Welches Know-how haben wir zu diesem Thema und welches nicht?
  • Welche Partner sind bei derartigen Vorhaben üblicherweise involviert?
  • Welche Projektmanagement-Unterstützung steht uns zur Verfügung?
  • Welche Kontakte haben wir, die uns helfen könnten?
  • Welche Erfahrung haben wir mit dem Thema?
  • Welche Erfahrung haben wir mit dieser Art von Projekt?
  • Welche ähnlichen Projekte laufen oder liefen bereits?
  • Welche parallelen Projekte laufen derzeit und wie relevant sind diese für uns?
  • Welche Dokumente existieren bereits?
  • Welche Quellen und Daten stehen uns zur Verfügung?
  • Was ist unsere Meinung zu diesem Thema?
  • Wer hat Lust an welchem Teilbereich des Vorhabens mitzuwirken?
  • Was ist uns wichtig?
  • Was ist das ursächliche Problem, das wir lösen sollen?
  • Welche Ideen und Konzeptansätze bezüglich des Projekts gibt es bereits?
  • Welche Entscheidungen das Projekt betreffend wurden bereits getroffen?
  • Welche Vorarbeiten wurden bereits geleistet, etwa von den Auftraggebern?
  • Was gehört zu unserem Verantwortungsbereich?
  • Was gehört nicht mehr zu unserem Verantwortungsbereich?
  • Welche Ressourcen stehen uns zur Verfügung?
  • Wie steht es um die Kapazität der Menschen am Tisch?
  • Welches Budget steht uns zur Verfügung?
  • Was wird über dieses Budget abgerechnet, was nicht?
  • Welche Termine sind für uns relevant?
  • Welche Vorgaben müssen wir einhalten?
  • Welche Vorgehensweisen in Projekten haben sich bewährt?
  • Welche Rollen sind bei uns üblich oder haben sich in der Projektarbeit bewährt?
  • Welche Projektmanagement-Standards sind relevant für uns?
  • Was wurde bereits zur weiteren Vorgehensweise und Organisation des Projektteams überlegt oder in die Wege geleitet?
  • Was ist uns bei der weiteren Zusammenarbeit als Team wichtig?
  • Was sollten wir bei diesem Projekt beachten?
  • Welche Gesetze und Genehmigungen sind für uns relevant?
  • Welche Normen haben für uns Gültigkeit?
  • Mit welchen Annahmen arbeiten wir im Moment?
  • Welche Software steht uns in welcher Version zur Verfügung?
  • Welche Infrastruktur können wir in welcher Form nutzen?
  • Welche Rahmenbedingungen gelten darüber hinaus für uns?
  • Welches Umfeld adressieren wir?
  • Welche Markttrends sind für uns relevant?
  • Welche technologischen Entwicklungen betreffen uns?
  • Welche Erwartungen haben wir selbst an dieses Projekt?
  • Wie passen Projekt und Unternehmensstrategie zusammen?
  • Welche unerwarteten Dinge hat es bereits gegeben?
  • Wie ist die öffentliche Wahrnehmung des Themas derzeit?
  • Welche Fragen sind darüber hinaus noch offen?

Auch wenn diese Fragenliste lang erscheinen mag. Sowohl aus sachlicher Sicht wie auch aus gruppendynamischer lohnt es sich, sich dafür Zeit zu nehmen. Gemeinsam mit dem Projektteam, denn es hilft gar nichts, wenn andere die Arbeit machen sollen und ausschließlich ich als Projektleiter verstanden habe, wie und warum.

Ach ja: apropos „Warum?“ Diese Frage sollten Sie auf jeden Fall stellen. „Warum, zu welchem Zweck machen wir dieses Projekt?“ Die Antwort fällt manches Mal gar nicht so leicht, wie Sie vermuten würden. Umso mehr lohnt es sich dann für Sie, diese Antwort zu finden.

Ihr
Holger Zimmermann
Projektmensch.

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3 Kommentare bei „Projektstart: Gemeinsames Verständnis für die Ausgangslage schaffen.“

  1. Super Artikel zum Thema. Dem kann ich mich nur anschließen. Ohne gut strukturierten Workshop zu Beginn eines Projektes, kann das gesamte Projekt in die falschen Bahnen geraten. Um so wichtiger ist eine detaillierte Dokumentation der Ergebnisse und auch immer wieder im Laufe des Projektes der Blick auf die Ergebnisse des Workshops. Die Fragen werden uns sicher auch gut weiterhelfen 🙂

  2. Danke für die Blumen! Dem Wunsch schließen wir uns an. 🙂

  3. Nadja Obenaus sagt:

    Eine sehr beeindruckende Zusammenfassung! Ich wünscht jede Projektleitung würde diese Struktur berücksichtigen ☺️

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