Die (unterschätzte) Rolle der Auftraggeber in Projekten

Wer auf den Berg steigt, will dort oben nicht verhungern. Gute Auftraggeber beschreiben das gesamte Ergebnis - bis man wieder unten am Berg ist.

Im Fokus der Projektarbeit steht meist der Projektleiter. Er (oder sie) wird als zentrale Rolle wahrgenommen, auf ihm lastet die Verantwortung. Wer sich allerdings intensiver mit Projekten beschäftigt, merkt sehr deutlich, dass viele Auftraggeber von Projekten ihre eigene Rolle weit unterschätzen. Das beginnt bereits mit dem Projektauftrag.

Das muss doch der Projektleiter wissen! Warum kümmert der sich nicht?

Seit 1997 begleite ich Projektteams sowie deren Auftraggeber. Wenn sich dabei ein Muster mehr als deutlich gezeigt hat, dann der direkte Zusammenhang zwischen Projektauftrag und Projektverlauf. Viele Projektleiter wissen oft erst nach langer Zeit, was wirklich von ihnen erwartet wird und wofür sie genau verantwortlich sind. Wogegen die, die Wert auf einen präzisen Auftrag legen, einen großen Teil der Miete bereits für sich verbuchen können.

Der Projektauftrag definiert den Projektumfang

Ein Projektteam arbeitet außerhalb der üblichen Abläufe. In diesem Team kommen, unter Führung des Projektleiters, Menschen zusammen, die eine bestimmte Aufgabe gemeinsam bewältigen sollen. Da diese Aufgabe per Definition einzigartig ist, ist sie nirgendwo exakt beschrieben. (Davon kann man übrigens selbst dann ausgehen, wenn ähnliche Projekte bereits gelaufen sind.) Diese Lücke muss der Projektauftrag schließen. Er muss präzise benennen, was die Aufgabenstellung ist, welches Ergebnis vom Projektteam erwartet wird (idealerweise inklusive der Nutzenerwartung) und wofür das Projektteam verantwortlich zeichnen muss.

Diese Beschreibung ist sinnvollerweise Aufgabe der Personen, die den Auftrag vergeben. Anzunehmen, dass ein Projektteam das eh verstanden hat und dass das „eh klar“ ist, ist meist ein fataler Fehler. Der kostet viel Geld, viel Zeit und viele Nerven.

Während über die Aufgabe oft noch gesprochen wird, wird beim Projektstart leider sehr selten über den Projektumfang gesprochen. Der Projektumfang beschreibt alle Bereiche, um die sich das Projektteam kümmern muss. Da wir in der Linie für viele der im Projekt anfallenden Tätigkeiten „Zuständige“ haben, wird oft davon ausgegangen, dass diese ihrer Verantwortung im Projekt ebenso automatisch nachkommen werden, wie im Routinebetrieb. Das jedoch ist ein großer Irrtum: das Projekt bewegt sich außerhalb der Standards, weshalb sich weder Projektteam noch Auftraggeber darauf verlassen können, dass die Zuständigkeit erkannt und wahrgenommen wird. (siehe dazu „Wer von Abteilungen redet, denkt nicht in Projekt.„)

Wer auf den Berg steigt, will dort oben nicht verhungern. Gute Auftraggeber beschreiben das gesamte Ergebnis - bis man wieder unten am Berg ist.
Wer auf den Berg steigt, will dort oben nicht verhungern. Gute Auftraggeber beschreiben das gesamte Ergebnis – bis man wieder unten am Berg ist.

Oft fühlen sich alle gleichzeitig verantwortlich, was zu Reibungsverlusten und Doppelarbeit führt, oder im schlechtesten Fall keiner. Dann kommt das blaue Wunder am Ende des Projekts, wenn wesentliche Teile des Ergebnisses nicht erstellt wurden, weil sich keiner verantwortlich gefühlt hat. Etwa für die Bedienungsanleitung oder die Verkaufsunterlagen.

Wer Projekte beauftragt, darf nicht erwarten, dass etwas automatisch geschieht. Der Muss glasklar sagen, wofür ein Projektteam verantwortlich sein soll.

Verantwortung für das gesamte Ergebnis übergeben

Die Projektaufträge, die wirklich gut funktionieren, machen das Projektteam für das gesamte Ergebnis verantwortlich – nicht nur für einen Ausschnitt. Die Autoren solcher Aufträge verwenden viel Zeit darauf, dieses Ergebnis möglichst konkret zu beschreiben. Samt aller zugehörigen Nebenstränge. Und nicht selten definieren sie auch, was nicht zum Ergebnis gehört, wofür das Projektteam also nicht in die Verantwortung gehen muss.

Da es nicht leicht fällt, das Ergebnis in seiner Ganzheit zu begreifen, lohnt es sich in diesem Fall beim Nutzen anzusetzen. Welchen Nutzen soll das Projekt am Ende stiften? Wer diese Frage beantworten kann, tut sich wesentlich leichter, das dazu notwendige Ergebnis des Projekts zu definieren. Der ist wieder unten am Berg und hat die Bergtour nicht nur bis oben auf den Gipfel geplant, wo dann womöglich das Proviant endet.

Im Sondermaschinenbau muss der Kunde die Maschine im Einsatz haben und sie muss die Taktzeiten liefern, die vorgegeben sind, die Mitarbeiter müssen sie bedienen und der Service die Maschine warten können. Wer den Transport vergisst oder den Service nicht regelt, sorgt für Reibung. Die reine Bereitstellung einer getesteten Maschine ist nicht genug. Bei der Einführung neuer Produkte geht es darum, mit den Produkten Geld zu verdienen oder eine strategische Position zu besetzten. Das Ergebnis muss also sein, dass die Produkte im Markt angekommen sind. Die reine Entwicklung und Bereitstellung an den Vertrieb ist nicht genug. Wer eine Veranstaltung macht, muss den Ort am Ende wieder sauber und aufgeräumt zurück gegeben haben. Wer daran nicht gleich denkt, der putzt alleine.

Ihr
Holger Zimmermann
Projektmensch.


Weitere Informationen:

  • Die Projektskizze ist ein gutes Mittel für Projektauftraggeber und Projektleiter die obigen Punkte systematisch zu diskutieren. Gibt es im Projektkaufhaus.
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2 Kommentare bei „Die (unterschätzte) Rolle der Auftraggeber in Projekten“

  1. Es stimmt, dass nur die Bereitstellung einer getesteten Maschine nicht reicht. Man muss mit den Produkten Geld verdienen können, wie Sie sagen. Mein Onkel arbeitet im Sondermaschinenbau und meint das auch.

  2. […] soweit zu trainieren, dass sie das solide beherrschen und anwenden. Viel geschickter ist es, die Auftraggeber als Projektauftraggeber fit zu machen. Denn ein (interner) Auftraggeber führt meist mehrere […]

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