Selbst- und Zeitmanagement für Projektleiter: belastbare Organisation beginnt mit dem Überblick

War früher erste Wahl: das Zeitplanbuch oder "der Filofax". Gutes Zeitmanagement ist jedoch erst eine Frage der Systematik, dann der Werkzeuge.

„Es sind mehr Aufgaben, als ich in meiner Zeit bewältigen kann.“ Diese Aussage werden so oder so ähnlich viele Projektleiter unterschreiben. Trotzdem gilt es mit der Flut der anfallenden Arbeit klar zu kommen. Hilfe von Kollegen oder Vorgesetzten kann man kaum erwarten: diesen Personen geht es genau so.

Dabei gilt es die Balance zu halten zwischen Phasen der Anspannung und der Entspannung. Wer nur noch macht, was er muss, dem geht bald die Freude aus. Wie also klar kommen, mit den vielfältigen Anforderungen? Werkzeuge und Apps, wie etwa „Remember the Milk“ oder „OmniFocus“ helfen, jedoch ist die Systematik wichtiger als das dafür eingesetzte Instrument. Die Systematik funktioniert im Zweifel mit Papier und Stift, die App nur, wenn sie systematisch sinnvoll verwendet wird.

Wie die Aufgaben zur Person und in den Kalender kommen

Am Ende steht ein Ziel: die Aufgabe muss irgendwie in den Tagesablauf einer Person gelangen und zwar so, dass sie am Ende pünktlich und zur Zufriedenheit erledigt ist.

Klingt simpel, ist es jedoch nicht. Schließlich muss Platz sein im Kalender für die Aufgabe. Und zwar noch dann, wenn der Tag gekommen ist, an dem die Aufgabe erledigt werden  soll. Jede kleine Aufgabe in den Kalender zu schreiben, da würde man schnell den Überblick verlieren. Stehen sie in der Aufgabenliste, sieht der Kalender leer aus, obwohl er vor lauter Aufgaben eigentlich überquillt. Ganz abgesehen davon, dass die Aufgabenliste, würde man alle Aufgaben aus Projekten dort eintragen, gleichfalls aus allen Nähten platzen würde.

Überblick über die anstehenden Tätigkeiten ist der erste Schritt zu einer belastbaren Tagesplanung.

Aus Sicht eines Projektleiters entstehen Aufgaben aus mehreren Richtungen:

  • geplant aus Projekten: in Projektplänen (die hoffentlich gut gemacht sind), stehen anstehende Aufgaben – meist gar mit einem zeitlichen Korridor versehen, innerhalb dessen sie erledigt werden müssen.
  • ungeplant aus Projekten: die Abweichungen von einer Planung sind Normalität in Projekten, denn Planung bildet eine Annahme ab, wie es gelingen könnte, die Projektziele zu erreichen – auch daraus entstehen Tätigkeiten, meist mit einer (vermeintlich) kurzen Reaktionsfrist (siehe dazu auch „Projektplanung – eine Definition„).
  • Kleinkram: zu den oben genannten Kategorien kommen all die vielen Kleinigkeiten, die aus Telefonanrufen, Mails etc. entstehen und die nicht immer einem Projekt zugeordnet werden können.
  • Routine: Tätigkeiten, die regelmäßig durchgeführt werden müssen, etwa um das eigene Organisationssystem auf einem Stand zu halten, dass es von Nutzen ist.

Diese Menge an anfallenden Tätigkeiten bedingt ein System, das sicherstellt, dass keine Aufgabe verloren geht und das hilft, den Überblick zu behalten. Denn am Ende, um das nicht zu vergessen, gibt es immer nur eine nächste Tätigkeit, einen nächsten Schritt. Wir tun uns schlicht schwer, zwei Aufgaben gleichzeitig bewusst zu durchdenken. Wir können vielleicht noch schnell zwischen zwei Aufgaben hin und her springen, mehr aber auch nicht. „Eingang“ nennt David Allen, der mit „Getting Things Done (GTD)“ bekannt geworden ist, diese Liste (Buchtipp hierzu). Eine treffliche Bezeichnung, wie ich finde, wobei wir, bis wir auf Allens Gedanken gestoßen sind, von „Aufgabenspeicher“ gesprochen haben.

Dieser Speicher ist die Grundlage, er muss verlässlich sein. Alles was an Aufgaben anfällt, kommt dort rein. Wobei aus einem Projekt immer nur der nächste Schritt (manche nehmen auch immer die nächsten drei Schritte) in der Liste landet und man diesen mit der Projektbezeichnung ergänzt.

Dies ist insofern eine Besonderheit, da nicht alle bekannten Aufgaben eines Projekts in der Liste landen, sondern nur die zeitnahen. Über einen einfachen Mechanismus wird sichergestellt, dass das Projekt und die folgenden Aktivitäten nicht vergessen werden: sobald eine Aufgabe aus einem Projekt erledigt wurde, kommt die nächste rein in den Speicher. Das bedingt, dass Projekte systematisch aufbereitet und durchdacht sind (vgl. „Projektplanung ist Denken“ hier im Blog).

Theoretisch genügt der Speicher für eine belastbare Tagesplanung, er ist lediglich nicht effizient genug und stellt Verfügbarkeit nicht sicher.

Die Tagesplanung wird mit einem Speicher einfach: theoretisch könnte ich nun jederzeit die nächste Aufgabe aus dem Speicher auswählen und mit ihrer Bearbeitung beginnen. Dann wäre jederzeit sichergestellt, dass immer die Tätigkeit mit der höchsten Priorität – und zwar unter aktuellen Gesichtspunkten – bearbeitet wird. Allerdings würde das gleichzeitig bedeutet, dass ich jedes Mal alle Aufgaben des Speichers bewerten muss, um  die mit der höchsten Priorität auswählen zu können. Außerdem würde das bedingen, dass ich immer Zeit habe, um Aufgaben zu bearbeiten, was spätestens wenn eine Besprechungsanfrage kommt, nicht mehr zutrifft.

Vorsortierung und Routine machen Selbstmanagement effizient

Es bleibt dabei: am Ende muss die Aufgabe pünktlich erledigt sein. Der Überblick stellt sicher, dass Aufgaben nicht vergessen werden und ermöglicht es uns, überhaupt bewerten zu können, welche Prioritäten sich ergeben. Denn eine Aufgabe kann genau genommen keine Priorität haben, ohne dass es eine zweite Aufgabe gibt, die eine geringere Priorität hat. Wobei Priorität immer ein Zusammenspiel aus Wichtigkeit und Dringlichkeit ist.

Um diese Priorisierung zu erleichtern, hilft es, die Aufgaben im Speicher bereits vorzusortieren. Zwei Kategorien sind grundsätzlich sinnvoll: einmal die aktuell anstehenden Tätigkeiten, zum anderen die Tätigkeiten, die ich mir mit einem längeren zeitlichen Abstand wieder anschauen muss – gerne immer noch als Wiedervorlage bezeichnet.

In letzterer Kategorie liefern die modernen Zeitmanagement-Werkzeuge besondere Entspannung, denn die Erinnerungsfunktion nimmt mir die Sorge ab, eine Aufgabe in der Wiedervorlage zu vergessen. Sie wird schlicht auf den Termin eingestellt, an dem ich die Aufgabe wieder anschauen möchte. Nicht auf den Termin, an dem sie erledigt sein muss. Das Abgabedatum ist eine Rahmenbedingung für die Tätigkeit, die wichtig ist. Jedoch ist dieser Termin als Erinnerungstermin mehr als ungeeignet.

Wobei es genau genommen eine dritte Rubrik gibt: Aufgaben, die ich weder machen will, noch machen muss. Für diese hat sich manches Mal schon eine „Streichliste“ bewährt, die Bewusstsein dafür schafft, dass nicht alles, was auf dem Schreibtisch landet, wirklich auch in die Kategorie „zu bearbeiten“ gehört. Dieser unbewusste Automatismus ist es schließlich oft, der Entspannungsphasen reduziert. (Buchtipp: Robert Levine arbeitet in „Eine Landkarte der Zeit. Wie Kulturen mit Zeit umgehen.“ sehr schön heraus, wie diese beiden Fragen zu mehr Lebensqualität führen.)

Für die aktuell anstehenden Aufgaben hilft es, diese mit Stichworten etwa für mögliche Arbeitsorte (bspw. „im Zug“), notwendige Arbeitsgeräte (bspw. „PC“) oder Art der Bearbeitung (bspw. „Mail schreiben“) zu versehen. Fälligkeitstermine werden gleich als Notiz mitgegeben und, der Entspannung wegen, auch hier ein Erinnerungstermin. Der stellt sicher, dass ich so rechtzeitig erinnert werde, dass ich die Aufgabe noch in einen Tag einplanen kann – und die Kapazität dafür noch habe.

Bei großen Brocken, Tätigkeiten, die viel Zeit erfordern, ist es nur ehrlich, diese gleich mit einem Zeitblock im Kalender zu vermerken. Schließlich ist die Zeit faktisch blockiert. Dass es nicht exakt die eingetragenen Uhrzeiten sein müssen, kann man sich in den Notizen zum Termin vermerken. Es geht schließlich „nur“ darum, die Verfügbarkeit sicherzustellen.

Zyklisches Durchforsten des Speichers sorgt dafür, dass die Aufgaben letztlich im Kalender landen.

Zum Tagesplan fehlt dann noch ein wichtiger Schritt: das regelmäßige Durchforsten des Speichers, verbunden mit der Zuweisung von Tätigkeiten auf Tage. Im Mittelpunkt stehen hierzu zwei wichtige Fragen:

  1. „Wann will ich das machen?“ und
  2. „Wann muss ich das machen?“

Je nach Systematik werden Zeitblöcke im Kalender eingetragen oder in der Aufgabenliste Bearbeitungstermine festgehalten. Jetzt werden auch auftretende Kollisionen, etwa mit Terminen, sichtbar, die gegebenenfalls gelöst werden müssen. Deshalb ist es wichtig, bereits beim „Speichern“ für große Blöcke extra Zeit zu reservieren, die nicht für Termine vergeben wird. Das reduziert die Anzahl der Konflikte. Vor allem die, der schwer zu lösenden. Die Erfahrung lehrt, wie viel Zeit für Termine und wie viel für Tätigkeiten vergeben werden kann, um dran zu bleiben.

Wobei das Wort „lehrt“ wichtig ist: jeder von uns wird mit der Zeit klüger. Dieser Zugewinn an Klugheit sollte in das System eingearbeitet werden, zu Optimierungen führen. Der hier beschrieben Mechanismus liefert die Grundlage. Zu schreiben gibt es über Selbstorganisation sicherlich weit mehr. Eine Fortsetzung folgt bei Gelegenheit: sprich wenn ich will. Das macht zufriedener als würde ich nur schreiben, wenn ich muss.

Ach ja, noch ein wirklich hilfreicher Fakt zum Schluss: in Projektplänen hilft es ungemein, Tätigkeiten kleinteilig zu benennen und dabei aktiv zu formulieren, was getan werden muss. Das macht die Tätigkeit konkret und greifbar, damit die Bearbeitung leichter. Dasselbe gilt für die persönliche Aufgabenliste: je greifbarer formuliert wird, desto leichter fällt es, die Aufgabe anzupacken und zu erledigen. Was wiederum ein gutes Gefühl gibt. Je mehr Häkchen, desto besser.

Ihr
Holger Zimmermann
Projektmensch.

P.S: Spannend hierzu übrigens auch zu lesen ist „Ausgetickt: Lieber selbstbestimmt als fremdgesteuert. Abschied vom Zeitmanagement.“ von Lothar Seiwert, dem Zeitmanagement-Vertreter schlechthin, der sich und seine Methode im Buch selbst relativiert.


Nachtrag:

Die Inhalte dieses Artikels (und ein bisschen mehr) samt vieler Übungen gibt es nun auch im kompakten Seminarformat. Am Ende des Tages haben Sie nebenbei ein bisschen aufgeräumt im Kalender.

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