Zusätzliches Geschäft über das Web generieren

Weltweit verfügbar und doch ideal geeignet, um ganz individuell Kunden zu erreichen und Geschäft zu machen: das Internet.

Nun schreibe ich seit über zehn Jahren die wöchentliche Kolumne „Horb im Netz“ für die Südwest Presse/ Neckar Chronik, die sich mit regionalen Webauftritten aller Art beschäftigt, diese analysiert und Verbesserungsvorschläge liefert. Eines finde ich dabei besonders beachtlich oder besser – bedenklich: gerade die kommerziellen Anbieter weigern sich hartnäckig, das Web für das eigene Geschäft einzusetzen. Man könnte geradezu meinen, das Internet hätte sich seit der ersten Ausgabe nicht verändert, wenn man manchen (neuen!) Webauftritt anschaut. Lediglich die Konzerne sind es oft, die im Web vernünftig aufgestellt sind.

Dabei ist das Web in dieser Zeit meiner persönlichen Feldstudie mehr als erwachsen geworden, was nicht nur Branchenverbände wie etwa Bitkom mit eindrucksvollen Zahlen belegen. Das Generieren von neuem Geschäft und neuen Kunden ist dazu noch über das Web viel individueller möglich als jemals zuvor. Damit können sich sowohl große wie selbst kleine Anbieter einen Platz schaffen. Allerdings genügt es nicht die Prinzipien der papiernen Werbung auf das Netz zu übertragen. Aktionen dieser Art fallen eher in die Kategorie Geldvernichtung.

Mit dem potenziellen Kunden beschäftigen

Das soll kein Plädoyer für den schnellen Schuß mit sozialen Medien sein, denn der kann genausogut nach hinten losgehen. Ein gutes Projekt, um zusätzliches Geschäft über das Web zu generieren, beginnt mit Fleiß- und Denkarbeit: es gilt sich mit den Kunden zu beschäftigen, sowohl mit den bestehenden wie auch mit den gewünschten, den „Idealkunden“. Wie sieht deren typischer Tagesablauf aus? Wie eine typische Woche? Was macht diesen Menschen das Leben (unnötig) schwer?

Allein aus der präzisen Beschreibung einer Situation ergeben sich häufig schon Ansätze, wo Chancen liegen. Ein entsprechendes Blatt für entsprechende Notizen sollte also immer zur Hand sein. Die Vorgehensweise gilt übrigens für Endkunden-Märkte wie für B2B-Branchen gleichermaßen, für die privaten Bereiche wie für geschäftliche Abläufe.

„Ist doch logisch!“, sagen Sie? Finde ich ebenfalls. Und ich frage mich, warum die wenigsten diese einfachen Fragen beantworten, wenn sie doch so logisch sind? Ich rede nicht von einer oberflächlichen Analyse, ich spreche von der intensiven Auseinandersetzung mit den Rahmenbedingungen und Abläufen, den beteiligten Personen und Aufwänden. Es gilt im Ist zu bleiben und weder die Vergangenheit noch die Zukunft zu beschreiben, wenn die Ausweitung des Geschäfts möglichst rasch gelingen soll. Denn weder Vergangenheit noch Zukunft haben heute Gültigkeit.

Ideen entwickeln

Es lohnt wirklich, nicht bei den erstbesten Chancen zu verharren, die bei der Situationsbeschreibung fast schon automatisch entstehen. Es gilt jeden Schritt des Kunden zu hinterfragen: können wir ihm etwas leichter machen? Können wir ihr Aufwand ersparen? (1) Schritt für Schritt müssen diese Fragen gestellt werden, um möglichst viele Chancen zu identifizieren. Und bei dieser Aufgabe geht es im Ergebnis vor allem um Menge, nicht um Qualität. Die kommt später. Eine Visualisierung der Tagesabläufe hilft übrigens erfahrungsgemäß mehr zu erkennen.

Die Ideenfindung sollte aus meiner Sicht keinesfalls auf spezielle Web-Themen abzielen. Es wäre sehr schade, wenn dadurch eine Idee verloren ginge, die außerhalb des Web neue Einnahmequellen erschließen würde. Ganz abgesehen davon, dass das Web alleine noch kein neues Geschäft generiert. Das Internet macht oft lediglich eine physische Leistung so kostengünstig möglich, dass sie sich rechnet. Oder es macht Prozesse möglich, die ohne Web nicht darstellbar wären. Man denke nur an die 24-Stunden-Verfügbarkeit eines Online-Shops ohne zusätzliches Personal, um ein altbekanntes Beispiel zu bemühen. In der geschickten Kombination von Online und Offline-Welt liegt sehr häufig großes Potenzial (siehe auch ‚Offline oder über Internet? Und!‚).

Technisches Web-Know-how erschließen

Nach über 550 Artikeln meine ich ein Muster zu erkennen: viele Betreiber scheinen schlicht nicht zu wissen, was in der Internet-Welt machbar und möglich ist. Mit Ideen verbundener Aufwand wird meist falsch geschätzt. Damit bleiben die Betreiber hinter ihren Möglichkeiten zurück. Leider scheinen dazu noch regionale, bewährte Agenturen und Web-Firmen in diesem Punkt weniger gute Berater zu sein, denn sonst würden gerade aktuelle Webauftritte anders ausgestattet werden.

Um Nutzen und Wert der Ideen einschätzen zu können, bleibt jedoch nichts anderes, als sich aktuelles Wissen und Know-how zu erschließen. Wenigstens die technischen Möglichkeiten lassen sich über eine eigene Webrecherche – gerade auch außerhalb der eigenen Branche – zumindest teilweise in Erfahrung bringen. Wer genau hinschaut, sieht mindestens im Ansatz, was möglich ist. Einschlägige Blogs oder etwa Seiten wie FastCompany, TechCrunch oder Mashable helfen dazu noch, den Eindruck zu vertiefen.

Mit diesen Eindrücken im Kopf kann man sich die nächsten Fragen stellen: wenn ich das bei unserem Unternehmen anwenden würde, welche Chancen würde ich damit bedienen? Wie müsste ich etwas Gesehenes bei uns einsetzen, um eine der gelisteten Chancen zu erschließen?

Eine Anmerkung an dieser Stelle: Ja, es hilft den Nachbarsjungen zu befragen. Bitte jedoch versuchen zu verstehen, was er im Web macht, welche Seiten er und seine Freunde nutzen, wie er auf spannende Angebote aufmerksam wird und wofür er und seine Freunde Geld im Netz ausgeben. Als Berater sind die jungen Damen und Herren regelmäßig überfordert. (Ausnahmen bestätigen die Regel.)

Technisch einfach anstatt komplex

Wo sich technische Möglichkeiten und Chancen für Kunden in Einklang bringen lassen, lohnt es sich tiefer zu bohren. Um eine Einschätzung des Aufwands zu erhalten, genügt es sehr häufig, den möglichen Ablauf etwa einer neuen Leistung zu beschreiben und damit eine Aufwandsschätzung einzuholen. Denn der Aufwand muss bekannt sein, um die Ideen bewerten und damit eine Rangfolge bilden zu können.

Bei der Einholung der Angebote lohnt es sich, mehrere Anbieter zu befragen. Denn zum einen gibt es viele Standardkomponenten(2), die günstig oder gar kostenlos genutzt werden können, wovon aber nicht jeder Dienstleister alle kennen kann. Zum anderen arbeiten die Anbieter sehr unterschiedlich: die eine arbeiten stur ab, was angeboten wird, andere liefern einen konkreten Vorschlag, wie die eigene Idee besser umgesetzt werden kann. Deshalb lohnt es sich im Falle einer Ablehnung trotzdem, eine zweite Meinung einzuholen.

Als wichtig hat sich an diesem Punkt des Projekts immer wieder herausgestellt, den Kern der Idee umzusetzen und nicht alles theoretisch Mögliche. Deshalb schließen wir in unserem Projektmanagement-Modell an die Schritte der Ideenfindung gerne eine Phase der Reduktion an, da damit bessere kreative Leistungen erzielt werden. Gerade bei Software-Projekten, wozu ich Web-Projekte zähle, kann damit der Aufwand beträchtlich reduziert werden. Denn die Anforderungen und die Anzahl der Funktionen definieren sehr wesentlich den Aufwand eines Projekts.

Da mit Software theoretisch alles programmierbar ist, ist das Ausufern der Funktionalität in Software-Projekten ein besonders hohes Risiko. Ganz abgesehen davon werden einfache (im Sinne von ‚reduziert‘) Lösungen am Markt besser angenommen und sind mit weniger Aufwand zu bedienen.

Was übrigens bei vielen Ideen gilt: eine nach der anderen umsetzen kann Vorteile haben. Erstens stiftet man schneller nutzen, unter anderem da weniger schädliches Multitasking (siehe ‚Auf Nachfrage: Wie man Projekte früher abschließt.‚) geschieht. Zweitens reduzieren sich dadurch der Liquiditätsbedarf und das Risiko. Drittens hat man mit jeder umgesetzten Idee eine neue Kommunikationsmöglichkeit. Und ohne Aufmerksamkeit von Seiten des Marktes geht es eben nicht.

Ihr
Holger Zimmermann
Projektmensch.


Foto: ilco, stock.xchng
  • (1): Zum Thema „Einfachheit“ als Geschäftschancen könnten die Artikel ‚zweitkauf.de: Einfachheit als Geschäftsmodell‚ und ‚Macht unser Leben einfacher! Bitte.‚ interessant sein.
  • (2): Ein beliebtest Beispiel hierfür ist das frei verfügbare Content-Management-System (CMS) Joomla und dem Pool an zusätzlichen Komponenten, über die etwa Online-Shops verhältnismäßig einfach zu realisieren sind.
  • Die Auswahl der Aktionen in diesem Artikel bezieht sich vor allem auf das Feld „Neue Leistung für bestehende Kunden“ in der Ansoff-Matrix, deren Systematik unter anderem in den Artikeln ‚Der Ansoff-Faktor‚ und ‚Wie man eine Musikschule rettet‚ beschrieben ist.
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