Abschied von einer Idee: die ÖkoCity ist tot. Was kommt jetzt?

Wie kann der Innenstadthandel überleben? Diese Frage bleibt mit dem Abschied von der ÖkoCity unbeantwortet.

Dieser Artikel markiert einen Abschied. Den Abschied von der Idee einer ÖkoCity. Nicht einer ökologischen Stadt, vielmehr von der Idee, einer Stadt und ihrem Einzelhandel durch ökologisches Unternehmertum und ökologische Produkte einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Die Idee wurde 2007 geboren und hat sich inzwischen überholt: ökologisches Handeln ist zu einem Hygienefaktor geworden.

Bis in wenigen Jahren werden die Kunden schlicht verlangen, dass ökologisch gehandelt wird. Wer das nicht tut, ist raus aus dem Rennen. Für den Horber Handel ist das mehr als schade, ist damit doch eine unternehmerische Chance vertan. Es bleibt vielleicht die Ursachenforschung und, viel wichtiger, die Suche nach neuen Modellen, um dem Handel sein Auskommen zu sichern.

Zielkauf und Flanieren als grundsätzliche Einkaufsformen

Wer heute Handel betreibt, hat es mehr als schwer. Es gibt für Endkunden faktisch keinen Grund mehr, im Ladenlokal um die Ecke zu kaufen. Die Zielkäufe sind über das Web viel schneller zu erledigen, Erlebniseinkäufe werden in größeren Städten oder Einkaufszentren erledigt. Diese beiden Einkaufsformen werden sich, so meine Prognose, in den kommenden Jahren herauskristallisieren und weiter differenzieren.

Der Handel mit Ladenlokal versucht mit seiner Beratungskompetenz dagegen zu argumentieren. Damit steht er auf verlorenem Posten. Am heimischen Rechner setze ich einen Tweet ab oder schreibe meinen Freunden auf Facebook, wonach ich suche. Minuten später habe ich verlässliche Antworten und war gleichzeitig mit Menschen im Dialog, die mir näher stehen als jeder Verkäufer. Beim nächsten persönlichen Treffen ergibt sich so gleich ein spannenderes Gespräch. Wer als Händler dagegen ankommen will, muss sich schon arg strecken. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass ich in wenigen Minuten im Web Informationen recherchiert habe, über die viele Händler nicht verfügen. Außerdem sind die Beratungsleistungen einzelner Händler nicht immer so gut, wie diese selbst es annehmen.

Maßnahmen für mehr Wirkung bündeln

Bei nüchterner Betrachtung einer Shopping-Mall haben die Betreiber viele Vorteile. Den Anfang machen die Kosten etwa für Werbung und Öffentlichkeitsarbeit. Die können auf eine Vielzahl von Ladenbesitzern verteilt werden, was die Kosten pro Unternehmen reduziert. Gleichzeitig sind keine aufwendigen politischen Prozesse notwendig, wenn es etwa um die Sanierung von Ladenstraßen und Parkplätzen geht. Ganz abgesehen, dass keine gewachsene Infrastruktur weiter genutzt werden muss. Vielmehr wurden die Rahmenbedingungen voll und ganz geschaffen, um Einkaufserlebnisse möglich zu machen.

Allein aus Kostengründen in Sachen Aufmerksamkeit bleibt der Schluss, dass Händler gemeinsam werben müssen, um die Schlagkraft von Malls zu egalisieren. Allerdings setzt das eine gemeinsame Idee voraus, die nach außen getragen wird. Außerdem auch ein Mindestmaß an gemeinsamer Qualität, die Enttäuschungen vermeiden hilft.

Gewonnen ist dadurch allerdings noch nichts. Wer das schafft, hat maximal gleichgezogen. Die Frage nach einem Grund für den Einkauf in einer bestimmten Stadt ist damit noch keinesfalls beantwortet. Stadtfeste sind wohl kaum ein dauerhafter, wenn auch viele gemeinsame Werbemaßnahmen von Händlern sich darauf ausrichten. Ziel muss eindeutig sein, Menschen dauerhaft ins Geschäft zu bringen. (Und dann ein Geschäft zu machen, was unter anderem abschlusssichere Verkäufer voraussetzt. Ein anderes Kapitel.)

Die Politik ist gefragt: Innenstädte gestalten

An dieser Stelle kommt die Politik ins Spiel. Die Aufenthaltsqualität einer Innenstadt ist wesentliche Grundvoraussetzung, damit die Innenstadt lebt. Auch wenn diese Aussage keinerlei Neuigkeitswert hat, ist sie doch noch nicht überall angekommen. Mit Aufenthaltsqualität kann eine Innenstadt zumindest in einer begrenzten Region punkten und  sei es nur der Stadtkreis, der kurze Anfahrtswege hat.

Heute aber sind Städte noch stark auf den Zielkauf ausgerichtet: rein mit dem Auto, direkt vor dem Geschäft parken, einkaufen, einladen, nach Hause. Damit versuchen Städte verzweifelt mit dem Zielkauf im Internet zu konkurrieren. Ein aussichtsloses Unterfangen. Ziel muss es vielmehr sein, mit den Orten zu konkurrieren, an denen Einkaufen erlebt wird, wo gebummelt wird. Konsequenterweise müssen die Autos draußen bleiben und die Fußgänger rein in die Innenstadt. Während das in Malls die Händler beziehungsweise Betreiber eigenhändig entscheiden, muss in Städten die Politik hierfür sorgen. Damit wäre dann ein zweiter Hygienefaktor gegeben, der Grundlage für eine lebendige Innenstadt ist.

Am Ende bleibt der fähige Händler oder besser: der fähige Einzelhändlerverbund

Sind die Hygienefaktoren gegeben, muss es einen Grund geben, genau in diese eine Innenstadt zu fahren und nicht ins nahegelegene Einkaufszentrum. Mindestens für die umliegenden Stadtteile und Gemeinden mag die Nähe im einen oder anderen Fall Grund genug sein. Ob das ausreicht für einen gut verdienenden Handel, darf bezweifelt werden. (Vielleicht ist gerade einmal die Miete eingespielt?)

Die Qualität der Händler, die Normalverteilung unterstellt, wird im Durchschnitt überall ähnlich sein. Die Produkte sind allerorts die gleichen. In punkte Beratung siegt das Web. Dass es in jeder Stadt gelingt, eine mindestens akzeptable Aufenthaltsqualität zu schaffen, darf ebenfalls unterstellt werden. Da wird es eng liebe Händler, verdammt eng. Zeit, sich etwas wirklich Neues einfallen zu lassen. Die ÖkoCity ist tot. Es lebe die Idee der Einzigartigkeit. Als Alternative steht die Option im Raum, sich eine attraktive lebendige Innenstadt ohne Einzelhandel auszumalen. Vielleicht wird Co-Working in einer Stadt der Freiberufler dessen Platz einnehmen?

Ihr
Holger Zimmermann
Projektmensch
[flattr /]

Weitere Quellen:
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Ein Kommentar bei „Abschied von einer Idee: die ÖkoCity ist tot. Was kommt jetzt?“

  1. Man könnte tatsächlich zu dem Schluss kommen, dass es fast unausweichlich zum Nachteil des Innenstadthandels ausgehen muss, wenn neue moderne Shoppingmalls mit ihrer oft sehr guten Erreichbarkeit, easy Parking und einer übergroßen Marken- und Produktauswahl gegen den regional ansässigen, kleinteiligen Einzelhandel antreten. Viele deutsche Innenstädte sind in dieser Beziehung auch bereits ausgestorben oder befinden sich kurz davor.
    Allerdings glaube ich, dass dies nicht zwangsläufig so sein muss und auch nicht so sein wird. Denn gerade im Zeitalter der sozialen Netzwerke, Facebook, Google+ … bekommen auch kleinere, ausschließlich regional agierende Unternehmen ein mächtiges Instrument zur Kundenfindung und Kundenbindung in die Hand. Hier wird es in Zukunft vor allem auch durch die geschickte Konvergenz von stationärem und Onlinehandel völlig neue Möglichkeiten geben Kunden zu begeistern und Kaufkraft zu binden. Einige Einzelhändler werden dazu als „Local Heros“ ihre Marke „ICH“ so stark am Markt positionieren können, dass sie ihr unmittelbares innerstädtisches Umfeld nachhaltig beeinflussen können.
    Dazu kommt dem regional ansässigen Einzelhandel eine Entwicklung, die mit „Think global, buy local“ kurz und treffend beschrieben werden kann, zu Hilfe. Neben dem nicht zu unterschätzenden Aspekt des persönlichen Vertrauens, der Verlässlichkeit und Ehrlichkeit wächst, je globaler unsere Welt wird, das Bewusstsein der Menschen für ihre Heimatregion, die ihr unmittelbares Lebens- und Überlebensumfeld ist.

    Im Fazit bleibt für mich festzuhalten, dass es keinen wirklichen Grund gibt, den Innenstädten einen unausbleiblichen Niedergang zu prophezeien. Die hohe Individualität, die aus einer oft unvergleichbaren Historie, aus kreativen Kulturangeboten, aus einer lebendigen und qualitativ ansprechenden Gastronomieszene sowie einer hohen Wohn- und Arbeitsqualität erwachsen kann, gibt dem regional ansässigen Einzelhandel einen überaus nahrhaften Boden aus dem er neue, kräftige und konkurrenzfähige Strukturen entwickeln kann. Die erste Voraussetzung dazu ist allerdings ein radikales Umdenken aller an diesem Prozess beteiligten Personen in den Kommunen, den Handelsunternehmen und Verbänden. Dort, wo es einzelnen Geschäftsinhabern durch kluges Unternehmertum gelingt sich als „Local Hero“ zu positionieren, werden diese es schaffen ihr Umfeld mitzuziehen, zu treiben und zu begeistern. Davon profitieren werden wir alle, denn wir erhalten eine höhere Lebensqualität.

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