kaufhaus-stadtxy.de: Wie Einzelhändler sich gemeinsam vermarkten könn(t)en

Paket plus Ladengeschäft lautet die Strategie, die Einzelhändlern die Zukunft sichert. Der Aufbau eines Online-Shops ist einfacher als es auf den ersten Blick scheint.

„Wie soll man X Einzelhändler in einem Shop zusammenfassen?“ Diese Frage, verbunden mit einer Nicht-Machbarkeitserklärung, war für mich Anlass, dieses Thema ein intensiver zu beleuchten. Wie könnte es gelingen, einem Verbund lokaler Händler eine zusätzliche Absatzmöglichkeit und gleichzeitig mehr Kundschaft im Ladengeschäft zu verschaffen? Ich bin überzeugt: es ist leichter als es scheint und könnte eine stärkere Wirkung haben als auf den ersten Blick offensichtlich ist.

Ausgangsüberlegungen

Der Einzelhandel vor Ort hat immer wieder die Schwierigkeit, dass Online-Händler rund um die Uhr geöffnet haben und inzwischen eine gute Logistik vorweisen können, die schnelle Lieferung garantiert. Die Einzelhandelsgeschäfte versuchen mit gutem Service dagegen zu halten. Die Schwierigkeiten im Innenstadthandel scheint dies allerdings lediglich zu mildern. Der Handel mit Ladengeschäft tut sich schwer. Also kann man unterstellen, dass zusätzliche Absatzmöglichkeiten grundsätzlich erwünscht und wenn dazu noch mit dem Verkauf im Ladenlokal verbunden, strategisch unbedingt gewollt sein dürften.

Für viele Produkte gibt es keinen Grund mehr, diese im Ladenlokal zu kaufen. So hart diese Tatsache ist, es ist Fakt. Es stellt sich gar die Frage, ob heute Supermärkte weiterhin so aussehen müssen, wie sie heute gestaltet sind. Wenn ich die Ware mit einem Mausklick vom Küchentisch zuhause erwerben und statt der Fahrt in die Innenstadt ins Freibad gehen kann, wird es eng für das ein oder andere Sortiment. Je vergleichbarer und je kalkulierbarer ein Produkt, desto eher fällt es in diese Kategorie. Setzt sich der Trend fort(1), wovon man ausgehen kann, werden immer mehr Menschen eine Vielzahl der Produkte online kaufen. Wobei dies nicht als Ersatz für den Einkaufsbummel aus Lust am Bummeln gelten wird, vielmehr für den gezielten Einkauf bestimmter Waren.

Damit ist die Entscheidung für den lokalen Händler eine einfache: entweder er nimmt an dieser „Handelsform“ teil oder nicht. Im letzteren Fall nimmt er sich einen wachsenden Teil des Marktes ohne die Chance, die dorthin abwandernden Umsätze kompensieren zu können.

Zielsetzung und Zielgruppe

Das Ziel des Vorhabens ist klar: die teilnehmenden Händler sind am Ende des Projekts als Verbund mit einer gemeinsamen Online-Plattform im Netz vertreten, über die Kunden online Produkte kaufen. Wobei die Plattform gleichzeitig dafür sorgt, dass mehr Kunden ins Ladengeschäft kommen, um dort etwa beratungsintensivere Leistungen zu kaufen, die online nicht verfügbar sind. Die Zielgruppe sind die Kunden aus der Region, die typischerweise auch den Weg zum Ladengeschäft aufnehmen würden, nicht der potenzielle Käufer im 574 Kilometer entfernten Dorf. Mit der Plattform werden Verkäufe getätigt, die sonst über Wettbewerber im Netz abgewickelt worden wären.

Die Projektstrategie ist eine einfache: „gegründet“ wird aus bereits bestehenden Komponenten(2). Das reduziert Aufwand und Risiko, wobei gleichzeitig eine schnellere Gründung möglich wird. Das Prinzip hinter dieser Aussage ist schnell erklärt: nach Möglichkeit werden bestehende Systeme, wird bestehende Infrastruktur genutzt, um das Online-Angebot mit all seinen Prozessen aufzubauen. Nicht die Eigenentwicklung oder der Kauf etwa eines Shop-Systems steht im Vordergrund, sondern die Suche nach einem Anbieter, der die entsprechende Leistung bereits fix und fertig anbieten kann. Wobei das durchaus die Mitnutzung vorhandener Infrastruktur  etwa bei einem Händlerkollegen sein kann und es sich nicht zwingend um einen gewerbsmäßigen Anbieter handeln muss, dessen Angebot gegen Entgelt genutzt wird.

Projektstruktur

Der Aufbau eines Online-Shops ist nicht alleine eine Sache der (sichtbaren) Web-Plattform. Neben dieser gilt es Prozesse zu entwickeln, die Logistik aufzubauen, Zahlungsströme sicherzustellen etc. Diese internen, nicht sichtbaren Bereiche entscheiden mit hoher Wahrscheinlichkeit darüber, wir erfolgreich die Plattform wird. Insgesamt müssen folgende Bereiche organisiert werden:

  1. Werbung und Marktkommunikation
  2. Prozesse und Logistik
  3. Software-System
  4. Sortiment und Alleinstellungsmerkmal
  5. Abrechnung
  6. Händler und Firma
  7. Finanzierung
  8. Projektmanagement

Mit diesen Überschriften ist es wiederum nicht getan. So gilt es etwa bei der Logistik verschiedene Lieferwege und Lager zu definieren, beim Sortiment ein Anfangsportfolio und Ausbaustufen, bei den Händlern Verträge zu gestalten und Abstimmungsprozesse zu vereinbaren. (3)

Prozesse und Logistik samt Abrechnung

„Gründen aus Komponenten“ lautet die Projektstrategie. Beispielhaft auf „Prozesse und Logistik“ übertragen, gilt es

  1. die Lieferung der Produkte zu einer Art Verteilzentrale sicherzustellen,
  2. die Lieferung zum Kunden in der Region und
  3. zu überregionalen Kunden, die zwar nicht Zielkunden sind, allerdings nicht mit Nicht-Lieferung bedacht werden sollen.

Für Letztgenannte ist die Lieferkette leicht zu beschreiben: ab mit der Post! Die Lieferung innerhalb der Zielregion könnte mit einem bereits vorhandenen Fahrzeug bewerkstelligt werden. Wenn etwa ein Händler bereits ein Fahrzeug für seine eigenen Lieferungen nutzt, könnte dieses Fahrzeug für die Lieferungen des Verkaufsverbands ebenfalls verwendet werden. Das reduziert den Fixkostenanteil für den Fahrzeugeigner und gleichzeitig den Aufwand für die Lieferung von Produkten aus dem Online-Shop.

Die Verteilzentrale kann das Fahrzeug selbst zu einem definierten Zeitraum sein, etwa der typischen Zeit der Ladenschließung der beteiligten Einzelhändler. Diese liefern die bei ihnen bestellten Artikel in definierten Kisten mit definierter Beschriftung an, die auf Basis einer Routenplanung aus dem Software-System ins Fahrzeug geladen werden. Womit bereits eine Anforderung an das System benannt ist. Gleichzeitig sind Fragen nach Lagerhaltung und Beschaffung der Produkte geregelt. Für die Routenplanung können offene Schnittstellen von Routenplanern im Netz genutzt werden.

Offen ist jetzt noch der Abrechnungsprozess. Mindestens Barzahlung bei Übergabe der Ware an den Endkunden durch den Fahrer oder offene Rechnung kommen hierfür in Frage, ohne in Technik investieren zu müssen. Der jeweilige Händler selbst rechnet ab und nutzt sein eigenes, bereits vorhandenes Mahnwesen, um eventuelle Außenstände einzufordern. Aufgrund des Bekanntheitsgrades der Kunden innerhalb einer Region ist eine niedrige Ausfallquote wahrscheinlich. In einer Optimierungsstufe könnte eine Sammelrechung die Bezahlung für den Endkunden vereinfachen. Mindestens ein großer Versandhändler macht bereits vor, wie solch ein Modell funktionieren kann. Vielleicht wäre es gar möglich, dieses System ebenfalls zu nutzen und damit gleichzeitig noch eine zusätzliche Zielgruppe zu erschließen – ohne Mehrkosten.

Sortiment und Alleinstellungsmerkmal

Die Lieferkette ist gleichzeitig Alleinstellungsmerkmal: heute bestellt, noch heute Abend geliefert. Das schaffen selbst die schnellsten Online-Händler nur mit großem Aufwand. Durch die Konzentration auf eine überschaubare Region, die mit der eigenen Lieferkette versorgt wird, kann diesen Wettbewerbern ein Schnippchen geschlagen werden. Wobei somit die Rahmenbedingungen für das Sortiment gesetzt sind: die Produkte sollten interessant für ein solches Liefermodell sein. Das kann die Wurst- und Käseplatte samt Wein für den spontan angekündigten Besuch ebenso sein, wie das Ersatzleuchtmittel für die Außenbeleuchtung oder der Ersatz für die Leselampe am Bett, die vom Büro aus schnell noch zur Lieferung nach Hause bestellt wird.

Gerade für Menschen, bei denen die Zeit knapp ist oder für die der Einkauf viel Mühe bedeutet, ist ein solcher Shop eine gute Einkaufsmöglichkeit. Wobei es am Ende egal sein dürfte, ob die Bestellung tatsächlich über den Online-Shop kommt oder dieses virtuelle Ladenlokal potenzielle Kunden lediglich auf die Idee bringt, noch etwas zu kaufen, und die Kunden dann anrufen. Oder der Shop wird genutzt, um lediglich die Wartezeit für das Zusammenstellen eines Produkts zu reduzieren: der Kunde bestellt online und holt selbst ab, wobei er auch noch geringere Parkgebühren zu verbuchen hat.

Zusätzlich zum Online-Sortiment können, individuell für jedes Produkt, Zusatzleistungen angeboten werden. Die führen dazu, dass entweder zusätzliche Verkäufe generiert oder, je nach Gestaltung dieser Zusatzleistungen, der potenzielle Käufer verführt wird ins Ladengeschäft zu kommen. Die individuelle Anpassung eines Produkts dürfte der Standard für derartige Leistungen sein.

Software-System

Letztlich ist das Software-System das technische Herzstück einer solchen Plattform. Die gute Nachricht: „Gründen aus Komponenten“ ist auch in diesem Bereich möglich, denn Systeme gibt es fix und fertig zu mieten oder gar kostenlos für den eigenen Webserver. Um die richtige Software zu finden, kommt der Definition der Anforderungen besondere Bedeutung zu. Ein paar sind bereits genannt. Weitere dürften eine einfache Bedienung und im Idealfall die bereits vorhandene Integration von Zahlungssystemen sein. Außerdem relevant ist der interne Teil des Systems, der im besten Fall die für die Logistik notwendigen Dokumente fix und fertig liefert.

Händler und Firma

Ein einzelner Händler hat weit weniger die Chance, ein solches System auf die Beine zu stellen, als ein Verbund. Allein des Herstellungsaufwands wegen und der Werbekraft. Ein lokaler Handels- und Gewerbeverein oder der Citymanager kann die Initialzündung für ein solches Projekt geben. Allerdings sollten sich nur die Händler zusammenschließen, die sich davon auch einen Nutzen versprechen. Gerade deshalb wird es nötig sein, neben der Rechtsform, auch die Art und Weise der Zusammenarbeit zu definieren.

Als Auftakt zu einem konkreten Vorhaben in einer konkreten Stadt schlage ich einen Projektstart-Workshop vor. Mit dem gelingt es in kurzer Zeit ein solides Fundament für das Projekt zu schaffen. Sich aufmachen, diese Idee weiterzuentwickeln, sollten allerdings wirklich nur Einzelhändler, die ein solches System auch wollen. Für die hätte ich dann noch die ein oder andere Idee, die ich hier noch nicht beschrieben habe. Etwa für den Werbeblock, die Einbindung sozialer Netzwerke oder die Logistik mit Abholstation. Ich mache nun Feierabend.

Wobei ich eine Sache noch anmerken möchte: das Konzept ist übertragbar auf verschiedene Städte ohne dass diese sich gegenseitig Konkurrenz machen. In Frage kommt wohl eher der ländliche Raum, dessen Innenstadthandel eine Zukunft haben will.

Ihr
Holger Zimmermann
Projektmensch

Nachtrag 15. Juni 2015:


Quellen:

Foto: Bartek Ambrozik, stock.xchng

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Ein Kommentar bei „kaufhaus-stadtxy.de: Wie Einzelhändler sich gemeinsam vermarkten könn(t)en“

  1. Erfreulich: eine Studie der DB Research greift aktuell dieses Thema auf und bestätigt, was wir schreiben. Die Studie gibt es unter http://bit.ly/o48f8S als PDF-Datei. Alternativ über http://www.dbresearch.de.

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