Strategie für eine Stadt

Wo liegt die Zukunft der Stadt, worauf setzen wir? Unter anderem diese Frage muss beantwortet werden, um sinnvoll Maßnahmen zu definieren. Hier die Stadtsilhouette von Horb am Neckar.

Die politische Arbeit in Gremien ist kompliziert. So kompliziert, dass langfristig wichtige Dinge in Einzelfallentscheidungen abgewogen werden, die keinem Gesamtbild gerecht werden, sich gar widersprechen. Das hemmt die Entwicklung einer Stadt umso mehr, je weniger die Fraktionen miteinander über Ziele diskutieren. Wer Teil eines solchen Gremiums ist, ist nicht selten frustriert ob der schlechten Ergebnisse aus langen Diskussionen. Ist es doch oft eben nur der kleinste gemeinsame Nenner, zu dem sich ein Konsens finden ließ.

Derzeit gilt es nun vielerorts strukturelle Diskussionen zu führen, da die bisherigen Strukturen nicht mehr zu finanzieren sind. Einzelfallbetrachtungen haben nun in besonderem Maße fatale Folgen, ebenso die Einigung auf den kleinsten gemeinsame Nenner. Gelänge es allerdings vor diesem Einzelfallentscheidungen eine gemeinsame Strategie und ein gemeinsames Zukunftsbild einer Stadt zu erstreiten, würde sich die Qualität der Entscheidungen und damit deren Wirkung vervielfachen. Maßnahmen würden sich gegenseitig verstärken. Wohlgemerkt: ich spreche von der Strategie für die Stadt, nicht für die Stadtverwaltung! Letztere haben mit der Balanced Scorecard (BSC) oder ähnlichen Instrumenten oft strategische Klarheit, ob für eine Stadt eine klare Strategie besteht, liegt meist in Händen des Oberbürgermeisters. Hat der ein klares Zukunftsbild und eine klare Vorstellung davon, worauf gesetzt werden soll, um dieses Zukunftsbild wahr werden zu lassen, steigt die Qualität der Entscheidungen bereits. Vorausgesetzt er nimmt etwa bei der Erstellung von Drucksachen entsprechend Einfluss.

Der Unterschied der Strategie einer Stadt zu einer Unternehmensstrategie ist ein wesentlicher: eine Stadt ist in ihren Strukturen viel weniger veränderbar. Gerade historisch gewachsene Siedlungsstrukturen aus vergangenen Jahrhunderten bestimmen heute noch, was wo geht oder auch nicht. Wobei genau in solchen Strukturen gleichsam die Chancen liegen: wer eben eine besonders günstigen Standort oder eine historische Stadtsilhouette hat, der hat sie. Ein anderer Ort kann solche Faktoren nicht einfach mal kurz so kopieren. Deshalb sind genau diese Dinge Ausgangspunkt für alle weiteren Diskussionen: da der Gestaltungsspielraum sehr eingeschränkt ist, müssen überörtliche Entwicklungen identifiziert werden, für die sich die vorhandenen Möglichkeiten geschickt einsetzen lassen. Wo sich diese in Deckung bringen lassen, sind wertvolle Ansatzpunkte für die zukünftige Stadtentwicklung erkannt.

Strategie bedeutet zu wissen, wofür man sich engagieren will und wofür nicht, wofür man Geld investieren will und wofür nicht, worauf man Zeit verwendet und worauf nicht

Die Entwicklung einer Stadtstrategie beginnt damit, sich klar zu werden, wohin die Stadt entwickelt werden soll. Wird die Stadt eine Stadt der Künste sein oder eine Stadt der Bildung? Dem Versuch, alles sein zu wollen, muss man jetzt bewusst widerstehen. Es geht um Profil und Klarheit. Eine Stadt der Künste muss anders aufgebaut sein als eine Stadt des Einkaufens oder der Arbeit. Muss andere Dinge in den Vordergrund rücken, andere Dinge mit Energie versorgen. Gerade der Weg, sich eine Art Lückentext vorzustellen, ist ein gangbarer: „Unsere Stadt ist eine Stadt der ________. Wir haben einen Ort geschaffen, an dem man _________ und __________ kann. Eine Stadt, die _________.“

Für meine Heimatstadt würde ich heute im Ergebnis dieses Zukunftsbild formlieren: „Horb am Neckar ist eine Stadt der Freiberufler, der kreativen Klasse, der Freischaffenden. Ein Ort, an dem sich Natur und weltweite Arbeitseinsätze leicht miteinander kombinieren lassen. Eine Stadt, die von ihren Bürgern selbst gestaltet wird, eine Stadt der Möglichkeiten. Horb ist ein Magnet für frei denkende Menschen und Macher. Durch diese neuen Arbeits- und Lebensformen und den damit verbundenen Austausch werden traditionelle Bereiche der Industrie, des Handels und des Gewerbes bereichert.“

Eine solche Formulierung kann nicht losgelöst erstellt werden. Horb hat die entsprechenden Anlagen hierzu bereits in die Wiege gelegt bekommen. Da ist zum einen die gute Verkehrsanbindung mit der A81 nach Stuttgart, an den Bodensee und nach Zürich. Zum anderen die gute Bahnanbindung bis nach Mailand. Gleichzeitig sind viele interessante Industriebetriebe im Umkreis zu finden. Außerdem ist Horb so strukturiert, dass Wohnen im Grünen eine leichte Übung ist. Diese Veranlagung trifft derzeit auf den Trend hin zu neuen Arbeitsformen und weg vom klassischen Anstellungsmodell bei gut ausgebildeten Spezialisten. Mit dem Internet wird die Bedeutung von Arbeits- und Wohnort relativiert. Das gilt sowohl für Arbeitsprozesse und Leistungserbringung wie auch für Absatz- und Beschaffungsmöglichkeiten. Ausgangslage und angenommene Zukunftsentwicklung führen zur Formulierung des Zukunftsbilds.

Mission: der mit dem Zukunftsbild verbundene Auftrag

Aus dem Zukunftsbild lässt sich nun leicht die Mission der Stadt ableiten, der mit dem Zukunftsbild verbundene Auftrag. Für Horb muss dieser konsequenterweise lauten: „Für Freiberufler und kreative Klasse eine attraktive Heimat und eine gute Ausgangsbasis für deren Geschäfte schaffen. Gleichzeitig daraus Impulse für bestehende Betriebe generieren.“

Wären Zukunftsbild und Mission politisch legitimiert, würde sich schlagartig die politische Diskussion in eine andere Richtung lenken lassen. Denn nun kann gestritten werden, wie die Mission erfüllt und das Zukunftsbild Realität gemacht werden kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass die nun diskutierten Maßnahmen gemeinsam wirken, ineinander greifen, wäre weit höher. Es wäre ein Wettstreit um die besten Ideen. Die Strategielandkarte ein geeignetes Instrument der Aufbereitung, Zusammenfassung und Verifizierung.

Ob sich allerdings die (leider partei-)politischen Grüppchen auf ein gemeinsames Zukunftsbild und die vorausgehende Diskussion einlassen würden, wird von vielen bezweifelt. Es wird wohl davon abhängen, ob eine Stadtspitze bereit ist, einen solchen Prozess zu initiieren und durchzuhalten. Und bitte: durchzuhalten bis zu einem tiefgreifenden Ergebnis. Wer nur Allgemeinplätze als Zukunftsvorstellung formuliert, darf sich nicht wundern, dass auf der Maßnahmenebene nichts Gescheites herauskommt.

Fragen? Herzlich gerne, ich freue mich auf jede gute Diskussion zu diesem Thema.

Ihr
Holger Zimmermann
Projektmensch

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2 Kommentare bei „Strategie für eine Stadt“

  1. Nachtrag (2): Ich wurde mehrfach darauf angesprochen, was aus der Idee der ÖkoCity für meine Beispielstadt Horb am Neckar geworden ist. Dieser Artikel und „Pfiffig grün: die ÖkoCity – ein Entwurf“ (https://blog.projektmensch.com/2010/06/24/pfiffig-grun-die-okocity-ein-entwurf/) sind zwei Seiten ein- und derselben Medaille. Wobei ich annehme und hoffe, manche Details inzwischen weiterentwickelt zu haben. Zur Idee der ÖkoCity möchte ich anmerken, dass das Fenster für die Umsetzung dieses Entwurfs bereits geschlossen sein könnte. Zum Zeitpunkt der Entstehung hätte darin noch ein Alleinstellungsmerkmal werden können, inzwischen ist „Öko“ im Sinne der ÖkoCity weit mehr gesellschaftlicher Konsens.

  2. Nachtrag: Unter der Überschrift „Eine Vision statt Gewusel – Holger Zimmermann zeigt am Beispiel Horbs auf, wie eine klare Strategie die Stadt voranbringen könnte“ hat am 9. Juni 2011 die Südwest Presse/ Neckar Chronik berichtet: http://bit.ly/iKyVUJ

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