Wie man eine Musikschule rettet

Wo ein Streichkonzert droht, hilft es, neue Einnahmequellen zu erschließen. Die Ansoff-Matrix liefert Antworten ohne an der Gebührenschraube zu drehen.

Auf der Einnahmenseite liegt der größte Hebel, um Krisen zu überwinden!

Sie sind landauf und landab ein schwergewichtiges Thema: die kommunalen Finanzen. An vielen Stellen zeigt es sich, dass die Strukturen, wie wir sie bisher kennen, nicht aufrecht erhalten werden können. Betroffen sind davon auch oder gerade freiwillige Einrichtungen wie etwa Musikschulen. Wie also kann eine solche Einrichtung erhalten werden? Der erste Blick richtet sich meist auf die Kosten, die müssen runter. Das allerdings kann der Anfang einer Abwärtsspirale sein. Spätestens wenn sich niedrigere Kosten in einem schwächeren Leistungsangebot niederschlagen, brechen auch Einnahmen weg. Deshalb ist der zweite Hebel, der zur Verfügung steht, ein weit mächtigerer: wer es schafft, die Einnahmenseite zu verbessern reduziert ebenfalls einen eventuellen Abmangel, hat allerdings langfristig die besseren Karten. Die Rede ist nicht von Gebührenerhöhungen, es geht um neue Einnahmequellen. Die Ansoff-Matrix liefert Antworten (vgl. „Der Ansoff-Faktor“ hier im Blog). Und im Idealfall sollte die Einrichtung am Ende in der Lage sein, die Gebühren gar zu reduzieren.

Vier Möglichkeiten, Einnahmequellen zu erschließen

Wer neue Einnahmequellen erschließen will, hat vier Möglichkeiten:

  1. der Fokus liegt auf der bestehenden Zielgruppe, der eine neue Leistung geboten wird
  2. der Fokus liegt auf einer neuen Zielgruppe, der eine bereits vorhandene Leistung angeboten wird
  3. der Fokus liegt auf der bestehenden Zielgruppe, der eine bereits vorhandene Leistung intensiver angeboten wird
  4. der Fokus liegt auf einer neuen Zielgruppe, der eine neue Leistung geboten wird

In jeder dieser vier Bereiche gibt es Chancen. Wer das Projekt „Neue Einnahmequellen“ erfolgreich umsetzen will, sollte damit starten, diese Chancen systematisch zu identifizieren.

  1. Was könnte einer bestehenden Zielgruppe zusätzlich angeboten werden?
  2. Was könnte eine neue Zielgruppe für die Variation einer bestehenden Leistung sein?
  3. Was müsste geschehen, damit eine bestehende Zielgruppe mehr einer bereits vorhandenen Leistung nachfragt?
  4. Welche Stärken haben wir, um daraus eine neue Leistung für eine neue Zielgruppe zu machen?

Je offener dieser Prozess gelingt, je fachfremder die Diskussionsteilnehmer sind, desto eher werden unübliche Ideen geboren. Gerade diese unüblichen Ideen sind es, die zu einem Alleinstellungsmerkmal führen. Ein solches Merkmal, um einen Nebengedanken aufzugreifen, macht es politischen Vertretern gleichzeitig viel leichter, eine Einrichtung mit Stolz nach außen zu vertreten. Je nach Intensität des Prozesses und abhängig von der Qualität der ersten Ideen, sind weitere Ideenrunden nötig. Wer intensiver entwickeln will, kann etwa alle vier Fragenbereiche vor aktuellen Trends hinterfragen: „Es gibt den Trend XY. Wenn wir diesen Trend in den Fokus stellen, welche Chancen verbergen sich für uns dahinter, wenn wir neue Zielgruppen erschließen wollen?“

Eine Musikschule, um konkret zu werden, könnte zum Beispiel gemeinsam mit einem Kooperationspartner aus der Wirtschaft ein Seminar „Der Dirigent als Manager – Ein Seminar für Führungskräfte“ anbieten. Für ein Führungskräftetraining können ganz andere Stundensätze verrechnet werden, als für eine Musikstunde, die sich an Schüler und Studenten richtet. Auch eine Vermietung der Räumlichkeiten in den Ferien wäre denkbar. Die Verträge mit Schülern könnten diese zu einer bestimmten Anzahl Konzerte verpflichten, um die Gebühren niedrig zu halten und zusätzliche Einnahmen durch Konzerte zu erwirtschaften. Entspannung ist ein Thema in vielen Unternehmen und Musik ein passendes Hilfsmittel. Auch aus diesem Gedanken sollte sich etwas machen lassen. Eine Musikschule könnte ein Abonnent mit Online-Kursen für Menschen mit schwierigen Arbeitszeiten anbieten. Oder oder oder … „Das machen wir doch schon!“ sagen Sie jetzt? Wunderbar. Was machen Sie noch nicht?

Ideen sind die Grundlage für ein erfolgreiches Projekt

Ohne Ideen geht gar nichts. Im Gegenteil: wo keine Ideen sind, fällt der Fokus sehr schnell wieder auf das, was gemessen werden kann. Dann sind die Kosten dran. Deshalb ist der Prozess zur Ideenentwicklung so wichtig für ein solches Vorhaben. Sobald eine Liste mit Ideen vorhanden ist, gilt es diese zu bewerten: die Marktchancen im Verhältnis zum Realisierungsaufwand können ein erster Indikator sein. Wichtig ist, vorab zu klären, wie viel Energie für die Umsetzung überhaupt aufgebracht werden kann. Am Ende dürfen maximal so viele Ideen in die Umsetzung gehen, wie auch gestemmt werden können.

Um die Umsetzung auf stabile Beine zu stellen, bietet es sich an, ein Projektteam ganz gezielt auf die Umsetzung einer Idee anzusetzen (vgl. „Kurzfristig neues Geschäft entwickeln: ‚Task-Force-Management‚“ hier im Blog). Ein gemeinsames Verständnis für die Ausgangslage, gemeinsame Ziele und eine gemeinsame Vorgehensweise lassen sich leicht mit einem Projektstart-Workshop erarbeiten.

Die Einnahmequellen können im ersten Schritt vor allem zur Fixkostendeckung dienen. Damit wird die Summe der fixen Kosten auf mehr Einnahmequellen verteilt, jeder Bereich muss weniger davon schultern. Dieser Effekt ist relativ schnell zu erzielen, sobald die variablen Kosten eines Angebots unter dessen Erlösen liegen. Je mehr der vorhandenen Strukturen und Einrichtungen genutzt wird, desto schneller lässt sich dieser Effekt nutzen. Langfristig geht es im Idealfall darum, dass eine Musikschule (oder eine vergleichbare Institution) die Gebühren für die bisherige Zielgruppe senken kann, da andere Einnahmequellen die Finanzierung sicherstellen. Besonders günstig erscheinen in vielen Fällen digitale Geschäftsmodelle, da diese bei nahezu identischem Aufwand beliebig viele Personen bedienen können.

Spätestens wenn eine Musikschule ganz ohne Subventionen auskommt, muss allerdings eine andere Fragen beantwortet werden: wieso muss ein so erfolgreiche Musikschule in öffentlicher Hand sein und wie viel Wettbewerb darf eine öffentliche Einrichtung Anbietern auf dem freien Markt machen? Die Antwort lasse ich an dieser Stelle mal offen. Allerdings erscheint es mehr als einen Gedanken wert, über diesen Zustand „Gemeinnützige Musikschule ohne öffentliche Finanzierung“ als Zielsetzung einer Haushaltskonsolidierung nachzudenken.

Weitere Ideen, Anregungen, Fragen? Herzlich gerne: dialog@projektmensch.com.

Ihr
Holger Zimmermann
Projektmensch.

[flattr /]


Weitere Quellen:

Foto: Andre Leme/ stock.xchng

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Ein Kommentar bei „Wie man eine Musikschule rettet“

  1. Ein wirklich sehr offener und ehrlicher Artikel zu dem Thema. Ich selber habe mich auch schon viel mit Musikschulen beschäftigt und die Frage gestellt warum immer mehr Musikschüler sich Alternativen suchen. Dazu habe ich sogar auch auf meinem Blog geschrieben. Wem es interessiert kann es hier lesen.
    https://bandup.blog/musikschule

    Liebe Grüße, Victor von bandup.blog

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